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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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widerstandslos auf und ab wogte, »nun ist, wie jeder Rennfahrer weiß, gutes Rad teuer, denn ich werde per Haftbefehl gesucht, weil ich die Bewährungsauflagen verletzt, mich der gerichtlich verfügten Therapie durchFlucht entzogen habe. Und wenn ich nicht schnell eine Therapie bei einem anderen offiziell anerkannten Laden aufreißen kann, muß ich zurück in den Bau.«
    Ich begriff nicht ganz den Sinn deiner Rede, war auch noch zu beschäftigt mit mir, richtiger den Turbulenzen, in die dein Kuß mich gestürzt hatte, und fragte nach: Welcher Bau? Therapie wogegen?
    Da sprachst du dieses seltsam melodisch klingende Wort aus, das mich noch mehr verwirrte, obwohl oder gerade weil ich kein Englisch verstand, aber doch irgendwie wußte, daß der Kontext, in dem ich es schon mal gehört oder gelesen hatte, ein zutiefst finsterer war: »Junkie.« – Erst von dir erfuhr ich, was das bedeutet, nicht »Rauschgiftsüchtiger«, wie im Wörterbuch behauptet, sondern (menschlicher) Ausschuß, Schund, Müll, Abfall.
    »Ich habe mich nie aus Angst auf Entzug gesetzt. Solange man im Loch steckt, ist es egal, ob man weitermacht oder seinen krummen Löffel schon vorher abgibt. Das eine ist nicht verlockender als das andere. Wenn alles normal läuft, hat man immer was zu tun, vergeht die Zeit mit Kohle beschaffen, Stoff bunkern, Venenpflege, Vorfreude und Enttäuschung, weil das Zeug nicht mehr so gut kommt wie früher oder mal wieder so vermistet ist, daß einem bloß noch schlecht davon wird. Aber kre pieren will man ebensowenig wie eine Fliege, die sich ja auch nicht einfach erschlagen läßt: Hat kein Gehirn und lebt doch. Gute Vorsätze gibt’s nur für Draußen und zu Silvester. Wenn Draußen näher rückt, ist selbst zu Ostern oder Pfingsten Silvester.«
    Ich weiß nicht, warum ich kaum reagieren konnte, ob es nur an dem Kuß lag, daran, daß der mich nicht hatte zurückschrumpfen lassen in die Barbarei meiner Kindheit, seltsamerweise aber doch den Wunsch in mir weckte, wieder klein zu sein und noch viele Male so geküßt zu werden. Oder rührten mich eher deine halbgeschlossenen Lider und die Schatten darunter? Oder empfand ich schon so etwas wie erleichtertes Mitleid, weil ich, obwohl ich drüben mehrfach bei kleineren und größeren Schweinereien erwischt worden war, im Unterschied zu dir dank mütterlicher Macht um das wirkliche, das nicht bloß DDR genannte Gefängnis herumgekommen war?
    Jedenfalls schwieg ich eine Weile, beharrlich und überzeugend. Vielleicht mußtest du deswegen weitersprechen, mir von dir erzählen, von deinem Vater, einem Neuköllner Fuhrunternehmer, der deine Mutter aus dem Fenster eurer Wohnung geschubst haben soll, als du vier Jahre alt warst. Sie könnte auch gefallen sein, freiwillig oder versehentlich, denn gesoffen habe sie ja nicht zu knapp, schon immer, wie dein Vater gesagt hätte, vor Kummer, wie du meintest. Du wärst dann zu deiner Oma nach Lüneburg geschickt worden und dort geblieben, bis plötzlich deren zweiter Mann gestorben sei. Weil du ohnehin eingeschult werden mußtest, habe dein Vater dich zurückgeholt und seiner neuen Frau überlassen; Rosi sei ihr Name. Dein Vater hätte sie aber nur Rosinante genannt – und jeder andere auch. »Diese Rosinante gerufene Rosi, die korrekt vielleicht Roswitha heißt, ist keine von uns, ist eine vierschrötige Oberpfälzerin.«
    Ich lauschte deinen Worten nach; vierschrötig und Oberpfalz klangen für mich seltsamer als etwa fragil und Surinam. Oberpfalz, das war irgendwo in Deutschland. Doch was hatte ich mir unter vierschrötig vorzustellen?
    »Ja, grob halt«, gabst du zur Antwort, »die Rosinante war grob, gewöhnlich, draller Wanst auf mageren Beinen, eben wie Don Quichotes alte Mähre. Oder was glaubst du, warum wir Rosi weniger treffend fanden als Rosinante und manchmal Tante Rosinante?«
    Die Rosinante habe eine Kneipe betrieben, einen »wüsten Preßluftschuppen« mit dem »genauso logischen wie unpassenden« Namen Zur Rose. »Und an ihrem Rockzipfel«, sagtest du, »hing ein Bengel in meinem Alter, der dicke Bernd.« Der sei »ziemlich schlecht drauf gewesen«, hätte viel geheult, »ohne Grund und noch öfter mit«.
    Bei Rosinante, hinterm Tresen der Rose , wärt ihr aufgewachsen, dieser Bernd und du. Jeden Nachmittag hättet ihr eure Plastikindianer und Legosteine dorthin geschleppt, und natürlich Taschenlampen, ohne die es zum Spielen zu duster gewesen wäre. Ansonsten hättet ihr »meistens die Schnauze gehalten«. Erstens,

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