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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Carter
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riet Father Reedy mir.
    »Ja, sei kein Blödian«, schob Chester nach. »Wir können blaumachen, Mann. Und das mit dem Segen eines Geistlichen. Besser geht’s doch gar nicht.«
    »Ich gehe trotzdem«, beharrte ich und machte mich über mein Spiegelei her.
    »Wie du meinst«, gab Father Reedy zurück. »Ich will nur hoffen, dass du auch vorsichtig bist.«
    Um ehrlich zu sein, sehnte ich mich ungefähr so sehr nach der Schule wie nach einem Tritt in die Eier. Von Leuten umzingelt zu sein, die einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren, ohne dass sie es bemerkt hatten … Reedy hatte recht. Besonders klug war das nicht von mir.
    Aber ich wollte ein Zeichen setzen, Ice Lake und seinen Bewohnern unmissverständlich beweisen, dass ich keine Angst hatte. Genau wie damals, als mir klargeworden war, dass ich auf Jungs stehe. Warum sollte ich dieses Mal den Schwanz einkneifen?
    »Ich werde auf mich aufpassen, versprochen«, sagte ich und wischte den Rest Eigelb auf meinem Teller mit einem Stück Toast auf.
    »Dein letztes Stündlein hat geschlagen«, meinte Chester, als er sich den letzten Streifen vom Frühstücksspeck sicherte.
     
    Auf dem Weg zur Schule kamen mir dann doch Zweifel, ob ich das Richtige tat. Auslöser dafür waren vor allem die Schimpfwörter, die mir aus den vorbeifahrenden Autos entgegengebrüllt wurden. Ganz zu schweigen davon, dass ich um ein Haar von einer Tomate getroffen worden wäre! Das rote Geschoss wurde direkt aus einem Wagen geschleudert, in dem niemand sonst außer dem Fahrer saß. Wie groß sind die Chancen, dass so jemand zufällig eine Tomate griffbereit neben sich hat?
    Glücklicherweise begegnete mir danach niemand mehr, der mit Obst oder Gemüse bewaffnet war, so dass ich unversehrt und ohne weitere Zwischenfälle die Schule erreichte. Jetzt musste ich es nur noch irgendwie schaffen, auch den Rest des Tages zu überleben.
    Die Tür meines Spinds war in der Zwischenzeit neu dekoriert worden. Mein persönlicher Favorit war das Bild eines nackten Jungen (vermutlich sollte ich das sein), den züngelnde Flammen umgaben und dem ein Dämon in die Eier biss. Die Szene war zuerst mit Kugelschreiber vorgemalt und dann mit wasserfesten Filzstiften ausgemalt worden. Der Künstler hatte sich offenbar viel Zeit für sein Meisterwerk genommen.
    Was mir am wenigsten gefiel? Die Worte »Krepier, du elender Onanist«, die oben links ins Metall gekratzt worden waren. Onanist? Geht’s noch?
    Nachdem ich den Spind aufgeschlossen hatte, machte ich einen Schritt zur Seite und öffnete ihn erst dann. Als hätte ich es geahnt, lösten sich mit der zurückschwingenden Tür die Deckel von zwei großen Plastikbechern, die seitlich im oberen Fach gelegen hatten. Wasserfallartig ergoss sich daraus eine milchige Flüssigkeit. Das Zeug stank wie die Pest – irgendein Spaßvogel musste sich in der Nacht an meinem Schrank zu schaffen gemacht haben.
    Glücklicherweise bekamen meine Bücher nichts ab. Was unglücklicherweise aber nur daran lag, dass man sie allesamt gestohlen hatte. Mit einem Seufzer warf ich die Tür zu und machte mich auf den Weg zur ersten Stunde.
     
    Bereits nach der zweiten Stunde schmerzten meine Schultern. Ich konnte kaum mehr zählen, wie viele Leute – Schüler und Lehrer – mich auf dem Flur anrempelten. Oder mich gegen Wände, Türen und Schließfächer schubsten. Langsam, aber sicher war ich ein bisschen verstört. Zuerst war ich drauf und dran gewesen, es jedem Einzelnen heimzuzahlen – aber im selben Moment erkannte ich, dass das nicht gut für mich ausgehen würde. Damit würde ich vor allem Rektor Raiser in die Hände spielen. Er wartete bestimmt nur darauf, mich von der Schule werfen zu können.
    Im Religionsunterricht setzte ich mich bewusst in die hinterste Reihe, auf den Platz direkt neben dem Fenster. Wer normalerweise dort saß, wusste ich nicht mehr, und es war mir auch egal. Ich wollte nicht, dass mir jemand im Rücken saß. Nicht nach meiner Erfahrung in der zweiten Stunde, in der ich mit allem, was sich überhaupt nur werfen ließ, beworfen worden war. Als wäre das nicht schlimm genug gewesen, hatte Mr. Linkley mich anschließend dazu verdonnert, die Schweinerei wieder aufzuräumen.
    »Hey!«
    Ich blickte auf und sah, wie Paul auf mich zugestürmt kam.
    »Was soll das?«, machte er mich an. »Das ist nicht dein Platz.«
    »Genauso wenig wie deiner«, erwiderte ich. »Wieso regst du dich so künstlich auf?«
    »Weil …«, er baute sich vor mir auf und funkelte mich von

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