Böser Mann - Provinzkrimi
Schlechte, das man von sich selbst kennt, auf die überträgt, die es gerade trifft.«
Das Telefon läutete, und Frau Fischer ging in den Flur. Luginger war verwirrt. Warum erzählt sie mir das alles?, fragte er sich. Warum redet sie so offen vor einem Mann, den sie nur
vom Hörensagen kennt? Sie tut ja, als ob ich hier ein- und ausgehen würde.
Als er die leere Bierfasche in der Küche abstellte, fiel sein Blick auf eine Hafnotiz an einem Hängeschrank, auf der sein Name und seine Telefonnummer geschrieben waren. Verblüfft schüttelte er den Kopf und bemerkte gar nicht, dass Frau Fischer mittlerweile hinter ihm stand.
»Von Sammy«, sagte sie, als sie sah, wie überrascht er war. »Er hält wirklich viel von Ihnen. Er meinte, wenn ich wegen der Gerüchte zu sehr belästigt würde, sollte ich mich an Sie wenden. Als ob Sie die Macht hätten, mich zu beschützen.«
»Wann haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Gestern Nacht. Er hat mir auch gesagt, was Sie für uns getan haben. Hoffentlich kriegen Sie meinetwegen keine Schwierigkeiten. «
Luginger sah aus dem Küchenfenster. Schmaler Rasenstreifen, Jägerzaun, Topfpflanzen. Auf der Straße parkte das Übliche. Japanische Kleinwagen, Wolfsburg und ein uralter Schwede. Ein Mann näherte sich dem Briefkasten.
»Wer ist das denn?«, fragte Luginger.
Frau Fischer schaute an ihm vorbei. »Einer meiner Nachbarn, Herr Flegel.«
»Ist der betrunken?«
»Kann sein.«
Luginger spürte, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen war. Herr Flegel steckte etwas in den Briefschlitz.
»Trägt der Ihre Post aus?«
»Vergessen sie es. Ein unangenehmer Mann.«
Frau Fischer stellte die Espressomaschine an und nahm Tassen aus dem Schrank. »Mögen Sie auch einen?«
Luginger verneinte. »Wie lange wohnen Sie schon in Leuterding? «
»Fünf Jahre. Carsten hat am Gymnasium eine unbefristete Anstellung bekommen. Das war wie ein Sechser im Lotto.«
»Und das Haus?«
»Gekauf.«
»Fühlen Sie sich wohl hier?«
Frau Fischer stellte ihre Tasse in den Automaten. »Wohl ist vielleicht zu viel gesagt. Ich habe mein Geschäf, Thomas hat Freunde, wie es halt so kommt.«
»Ihr Sohn heißt Thomas?«
»Ja, 13 Jahre alt. Glückliches Einzelkind.«
Kaffee lief in die Tasse. Dann sah Luginger Tränen und hörte leises Schluchzen. Schließlich drehte sich Frau Fischer um, biss auf ihre Unterlippe und kniff die Augen zusammen.
Frauentränen machten Luginger immer verlegen. »Kommen Sie, ich nehme Ihren Kaffee«, stotterte er, »gehen wir wieder zum Tisch.«
Frau Fischer tupfe mit einem Taschentuch in ihrem Gesicht herum. »Tut mir leid. Es ist immer das Kind. Es ist so ungerecht. Immer das Kind, als ob es nichts anderes gäbe.«
Luginger nickte. »Wollen Sie lieber alleine sein? Soll ich gehen? «
»Nein, bleiben Sie, bitte.«
»Kümmert sich jemand um Sie?«
Frau Fischer lachte gequält. »Hoffentlich nicht. Das würde mir gerade noch fehlen.«
»Diese Frau Weibel«, sagte Luginger vorsichtig, »macht einen ganz vernünfigen Eindruck. Finden Sie nicht auch?«
Frau Fischer knüllte ihr Taschentuch zusammen. »Ja. Jedenfalls
fragt sie nicht ständig nach meinem Liebesleben.« Wieder ein Lacher zwischen unterdrücktem Zorn und Verzweifung.
»Haben Sie eine Ahnung, was in Sammy vorgeht, Frau Fischer? Auf dem Weg zu Ihnen dachte ich, er fühlt sich schuldig und macht Dummheiten.«
»Was kann er denn schon groß tun? Er ist in München bei irgendeinem Freund oder Bekannten und hat Angst. Angst, angepöbelt zu werden, verstehen Sie?«
Als Luginger nickte und nichts weiter sagte, stand sie auf und begann unruhig hin- und herzulaufen. Schließlich fragte sie: »Was meinen Sie mit Dummheiten?«
»Die Kommissarin hat erwähnt, dass Ihr Mann vor seinem Tod einen alten Studienfreund wiedergetroffen hat, einen Mann, der offenbar eine große Rolle spielt, wenn’s ums Geldverdienen mit der geplanten Neubausiedlung geht. Sie vermutet, dass Sie sich mit Sammy darüber unterhalten haben.«
»Quatsch. Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Luginger. Sammy weiß gar nichts, und ich auch nicht viel mehr. Carsten ist vor vier Wochen ziemlich verstört nach Hause gekommen. Gleichzeitig aber war er auch irgendwie euphorisch. Ich weiß nur, dass er zufällig beim Flugblattverteilen einen Mann getroffen hat, den er aus seiner Unizeit in Hamburg kennt. Weder hat er einen Namen erwähnt noch irgendwelche Einzelheiten. Mehr habe ich der Polizei auch nicht erzählen können.«
»Merkwürdig«, sagte
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