Böser Mann - Provinzkrimi
Luginger. »Ich meine, wenn man jemanden nach so vielen Jahren wiedertrifft, erzählt man doch irgendwas. «
»Ja, ja, ja! Hat er aber nicht. Wahrscheinlich ist ›Studienfreund‹ auch viel zu viel gesagt. Ich habe mir das so zusammengereimt.
Er hat nur gemeint, da trifft man nichtsahnend einen alten Spinner wieder, und der riecht heute noch genauso nach Geld wie damals. Tage später hat er mir dann erzählt, dass der Mann ziemlich dick im Baugeschäft steckt und wahrscheinlich nicht zufällig hier wohnt.«
»Und Sie haben nicht nachgefragt?«
»Nein. Carsten übertrieb manchmal, wissen Sie. Und warum sollen nicht noch andere Leute hierherziehen? Mein Gott! Und dass jemand mit Bauen viel Geld verdient, ist ja auch nicht gerade originell, oder?«
»Warum haben Sie denn der Polizei davon erzählt?«
»Weil Carsten mir vor ein paar Tagen freudestrahlend gesteckt hat, dass er als BI-Vorsitzender kandidieren will. Und dass er über brisante Informationen verfügt, die ihn quasi automatisch zum neuen Vorsitzenden machen würden. Mein Mann war wie gedopt, ich meine, wie macht man aus einem ruhigen Zeitgenossen einen Kämpfer mit Machthunger? Natürlich habe ich nachgehakt, ich habe ihn sogar ermutigt, aber er hat mich vertröstet. Erst wenn alles in trockenen Tüchern wäre, würde er damit herausrücken.«
»Also, Sie wissen nichts, Sammy weiß nichts und die Polizei auch nicht«, fasste Luginger zusammen. »Keinen Namen, keine Straße, keine Telefonnummer, nichts.«
»Richtig. Ich weiß als Einziges nur, wo Carsten damals seine Flugblätter verteilt hat. Das habe ich auch Frau Weibel gesagt. Hinter der S-Bahn, die Straßen, die alle Politikernamen haben und in denen die Prominenten wohnen. Konrad-Adenauer-Straße, Kurt-Schumacher-Straße, Franz-Josef-Strauß-Straße.«
Luginger nickte und dachte an diese Dirndltanten deutscher Volksmusik und an Herrn Griesemann, Europaabgeordneter
und lautester Befürworter einer neuen S-Bahn-Trasse zum Flugplatz. »Hat Ihr Mann in der Bürgerinitiative denn mit jemandem besonders eng zusammengearbeitet? Jemandem, dem er sich anvertraut hat?«
Frau Fischer stöhnte und fuhr sich jetzt sichtlich genervt durchs Haar. »Bitte lassen wir das. Wissen Sie, wie viele Stunden Frau Weibel mich befragt hat?«
»Sie haben recht«, entgegnete Luginger mit gesenkter Stimme. »Das geht mich alles gar nichts an.«
»Frau Weibel hat alles mitgenommen. Laptop, Kalender und dicke Ordner voller Papiere zu den unsäglichen Vorstellungen des Gemeinderats, hier alles zubauen zu lassen. Das ist doch völlig absurd. Wer sollte Carsten absichtlich überfahren haben? Doch keiner, der verhindern will, dass er die BI unterstützt. Das ist doch Kleckerkram, der zu nichts führen wird. Die bauen, wenn nicht heute, dann morgen.« Frau Fischer hatte sich jetzt in Rage geredet. »Deswegen fährt man niemanden tot. Und irgendein reicher Dunkelmann macht so was schon gar nicht. Dann eher durchgeknallte Schüler, verwöhnte Bengel, die bei Carsten auf Granit gebissen haben. Von wegen Deutsch und Geschichte, so Là-là-Fächer, die einfach mitlaufen. Mangelhaf ist mangelhafist mangelhaft, verstehen Sie! Und wenn’s um Drogen ging, war mein Mann sehr entschieden. Kiffen und Saufen haben ihn auf die Palme gebracht. Morgens kam der eine oder andere schon mal breit zum Unterricht. Warum sollte ihn nicht irgendein achtzehnjähriger Scheißer über den Haufen gefahren haben? Vielleicht noch nicht mal aus Absicht, sondern einfach so, wie sie heute andere zusammenschlagen oder Müllcontainer abfackeln oder sonst was anstellen.«
Noch während Frau Fischer redete, wusste Luginger, dass er
froh sein konnte, ihren Mann zu Lebzeiten nicht gekannt zu haben. Einer, der auf der Beliebtheitsskala seiner Schüler den letzten Platz einnahm und nicht verstehen wollte, dass der Untergang Roms und deutsche Klassiker hormonverwirrten Jugendlichen ordentlich am Arsch vorbeigingen.
O Gott, dachte Luginger, wie kann man sich so einen antun? Einen Klugscheißer und Geheimniskrämer! Einen Saubermann, der in der BI nur deshalb zum Zug gekommen wäre, weil er als Denunziant triumphiert hätte.
Frau Fischer trank ihren Kaffee und stellte die kleine Tasse viel zu laut zurück. Dann steckte sie ihr Taschentuch in die Hose und ging zu einem Bild, das über einem wuchtigen Ledersofa hing. Sie nahm es ab und legte es vor Luginger auf den Tisch. »Das hat mir Carsten geschenkt. Er war nie in Afrika. Hat es einem Künstler aus Kenia abgekauf,
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