Böser Mann - Provinzkrimi
kleiner, als er sie in Erinnerung hatte. Ein-, zweimal hatte er sie in ihrem Reisebüro gesehen und jetzt, als sie in schwarzer Kleidung vor ihm stand, war sie höchstens eins sechzig groß. Ohne überrascht zu sein, bat sie ihn ins Haus, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, stellte eine Saffasche und Gläser auf ein Tablett und trug alles zu einem großen schmalen Tisch, um den viel zu viele Stühle standen.
»Sie können auch ein Bier haben, wenn Sie möchten«, sagte sie, während Lugingers Augen gar nicht wussten, was sie mehr bewundern sollten. Die vielen bunten Bilder an den Wänden oder die beherrschte Haltung einer Frau, die erst vor drei Tagen ihren Mann verloren hatte.
»Danke, für ein Bier ist es noch zu früh.«
»Setzen Sie sich doch.«
»Die Bilder«, sagte Luginger, »sind die alle aus Afrika?«
»Ja, naive Malerei. Ist nicht jedermanns Geschmack.«
Luginger nickte. Farben, nichts als Farben. Exotische Pfanzen und Tiere, Gesichter, dazu Schmuck, Trommeln und kuriose Blasinstrumente, alles grell und licht, schnörkellos, direkt und krafvoll.
»Munter«, bemerkte Luginger.
»Mindestens«, antwortete Frau Fischer und lächelte mild. Dann fügte sie hinzu: »Schön, dass Sie gekommen sind.«
Luginger strich Haare hinters Ohr. »Der Tod Ihres Mannes tut mir sehr leid.«
Die kleine Frau blickte auf ihr Glas. »Danke für Ihr Mitgefühl. «
Luginger schwieg. Jetzt, da er hier war, wusste er nicht mehr, was er sich eigentlich erhofft hatte. Verlegen fuhr er sich übers Kinn.
»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«
»Das ist wirklich nett von Ihnen. Allein, dass Sie gekommen sind, ist schon Hilfe genug.«
Sie blickten sich an. Was für ein Gesicht, dachte Luginger. Alles an seinem Platz, wie hingezaubert, und mittendrin große braune Augen, die genauso leuchteten wie die Farben auf den Bildern um sie herum.
»Entschuldigen Sie, Frau Fischer, wir kennen uns eigentlich gar nicht, und ich tauche unangekündigt bei Ihnen auf und habe den Eindruck, dass Sie mich erwartet haben.«
Frau Fischer war aufgestanden und sortierte Kekse auf einen Teller. »Möchten Sie?«
»Nein, danke.«
Als sie zum Tisch zurücklief, bemerkte Luginger, dass sie barfuß war.
»Erwartet habe ich Sie natürlich nicht. Nur sind Sie, wie soll ich sagen, präsenter, als Sie meinen. Sammy hat viel über Sie gesprochen. Und da ich weiß, dass die Polizei bei Ihnen war und was so geredet wird, kommt Ihr Besuch so überraschend auch nicht.«
»Sammy wird niemals etwas sagen oder tun, das Sie in ein schlechtes Licht rückt, Frau Fischer.«
»Das weiß ich doch«, antwortete die kleine Frau ruhig. »Aber die ganze Sache ist inzwischen öffentlich. Wenn Sie wüssten, was über mich seit Samstag alles verbreitet wird.«
Luginger schob sein Glas hin und her. Dann sagte er: »Ich hätt jetzt doch gern ein Bier.«
Frau Fischer nickte, steckte einen Keks in den Mund und lief erneut Richtung Küche. Mit dem Rücken zu Luginger rief sie: »Unseren Sohn habe ich zu meinen Eltern gebracht, das
Reisebüro ist geschlossen, und selbst Freunde können mir nicht mehr in die Augen schauen, ohne dass ich das Gefühl habe, sie halten mich für ein durchtriebenes Miststück. Heute Morgen habe ich wahrscheinlich einen meiner besten Kunden verloren. Den Herrn Reiter von der Sparkasse habe ich angerufen und mit aller Vorsicht anklingen lassen, ob aus seiner Bank jemand ausgeplaudert haben könnte, dass mein Mann zu meinen Gunsten eine Lebensversicherung abgeschlossen hat. Der gute Mann ist beinahe an die Decke gegangen und hat mit Anwälten und sonst was gedroht.« Sie schenkte Luginger Bier ein. »Auf meine Frage, wie er sich denn erklärt, dass seit Samstag, nicht mal zwölf Stunden nach Carstens Tod, halb Leuterding weiß, wie sehr ich finanziell profitiere, kam nichts, nur eisiges Schweigen. Und damit nicht genug. Plötzlich habe ich einen jungen Liebhaber, einen Schwarzen sogar und ein wahres Tier im Bett«, jetzt lachte Frau Fischer viel zu hell, »einen, der bei dem Mord seine Finger im Spiel hat und zusammen mit mir abkassieren will.«
Sie hatte sich wieder hingesetzt und für einen kurzen Moment die Augen geschlossen. »Leuterding ist ein Kaff, ein mieses, beschissenes Kaff.«
»Nirgends ist es besser«, erwiderte Luginger und trank in einem Zug sein Glas leer.
»Wahrscheinlich«, kam es zögerlich zurück. »Und wissen Sie, warum das alles? Weil es aufregend ist zuzuschauen, wie andere untergehen. Und weil man all das
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