Böser Mann - Provinzkrimi
ein Frühstück. Eier, Speck, Orangensaf.«
Auf Sammys Rad fuhr er die Dorfstraße entlang. Linker Hand eine verwaiste Bretterbude, in der man vor Monaten Erdbeeren und Spargel direkt vom Bauern hatte kaufen können, rechts parkende Lastwagen und Brettmann mit einer verwaschenen
Jutetasche. Der Nachbar seiner Mutter war zu Fuß unterwegs und schlich mehr, als er ging. Dr. Hilgard und Dr. Brettmann, dachte Luginger, besser geht’s nicht. Stöckelschuh und Birkenstocks, Kostüm und Schlabberhosen, Schreiten und Schlurfen, glitzerndes Köfferchen und die verblichene Antiatomkraftsonne auf einem uralten Einkaufsbeutel.
Noch ehe er grüßen konnte, war Brettmann hinter der Zugmaschine eines Sattelschleppers verschwunden. Wahnsinn, diese parkende Karawane mitten im Ort, dachte Luginger. Das gab’s vor drei, vier Jahren noch nicht. Und jetzt stellen die hier alles zu, weil es nichts kostet, weil es bequem ist, weil die Riesendinger irgendwohin müssen. Und die Gemeinde tut nichts, lässt es einfach laufen. Warum eigentlich?
An der Ampel vor der S-Bahn-Unterführung musste er bremsen. Vor ihm zwei protzige Geländewagen, auf der Gegenspur ein klitzekleiner Porsche. Siehst du, Franz, die fahren nur zum Semmelholen, hätte Barbara gesagt. Die fahren auch dann noch jeden Meter, wenn der Sprit zwei Euro kostet oder auf der hundertdreizehnten Klimakonferenz auf einem U-Boot im Bodensee mit Bedauern festgestellt wird, dass Holland nicht mehr zu retten ist.
Barbara! Er musste was tun. Er verhielt sich falsch. Sie hatte recht.
Die Ampel sprang auf Grün.
Roberto winkte. Roberto Materazzi, Materazzi wie der italienische Innenverteidiger, der Zidane im WM-Finale vor vier Jahren zu der gediegensten Tätlichkeit hatte hinreißen können, die Luginger jemals gesehen hatte. Kopfstoß auf die Brust. Der Ball weit weg, das Spielgeschehen ganz woanders, und dann Materazzi am Boden, gefällt von Zidanes hoher Stirn, nachdem
der Italiener seine Mutter, seine Schwester – um wen ging’s da eigentlich? – übel beleidigt hatte.
Dass Roberto mit Nachnamen Materazzi hieß, wussten in Leuterding nur wenige. Für seine Gäste war er Roberto und Schluss. Seit bald 20 Jahren betrieb er ein Restaurant, das es immer wieder schaffte, sich zu behaupten. Dabei war die Konkurrenz hefig. Italiener und Friseure, sagte Moni immer, damit kannst hier die Straßen pflastern. Pizza, Pizza, Pizza, an jeder Ecke Pizza.
Roberto aber hielt stand. Guter Service, gute Küche, guter Wein. Und mittendrin er selbst, sieben Tage die Woche bei seinen Gästen, plaudernd, aufmerksam und bester Laune.
Luginger bremste erneut.
»Francesco, wie geht es dir?«
»Danke. Und selbst?«
»Bene. Wo ist dein Pick-up?«
»Kein gutes Thema, Roberto.«
»Ha, endlich kaputt. Total.« Roberto lachte. »Kauf eine Ferrari. Mann in deine Alter braucht sportliche Auto. Gut bei den Frauen.«
Luginger nickte. »Frauen sind auch kein gutes Thema, Roberto. «
Roberto lachte noch mehr. »Ja, schwierig. War immer schwierig, wird immer schwierig sein. Frauen und Restaurante passt schlecht. Zu viel Arbeit, zu wenig Zeit, zu wenig Geld. Magst einen Espresso?«
»Danke, mein Lieber. Ich bin zum Frühstück eingeladen.«
Die beiden reichten sich die Hand, und Luginger stieg wieder in die Pedale, um eine leichte Anhöhe nach oben zu fahren.
Um halb neun klingelte er bei Joe. Joe sah prima aus. Weißes
Hemd, neue Jeans, silbernes Kettchen um den Hals, top rasiert und keine Falte im Gesicht.
»Wie machst das?«, fragte Luginger bewundernd. »Du bist doch auch schon über 40 und schaust aus wie so einem Wellnesstempel entsprungen.«
Joe lächelte. »Meditation, Franz. Jeden Morgen wenigstens eine halbe Stunde, am Wochenende eine. Das hilf.«
»Erzähl das bloß nicht Barbara«, erwiderte Luginger. »So eine Phase hatte sie auch mal. Lotussitz und nix denken. Danach grünen Tee und weite Klamotten, damit sich alles schön entfalten kann.«
Joe führte ihn in ein Zimmer ohne Stühle. Auf dem Boden lagen nur Kissen.
»Wo soll ich mich hinsetzen?«, fragte Luginger.
»Wo du magst. Wir haben eh nicht viel Zeit. Ich muss zum Reiten. Um Viertel nach neun treffe ich Verena.«
»Hast vorhin nicht irgendwas von einem Frühstück gesagt?«
»Ich wollt’s dir grad bringen, Franz. Ist alles fertig.«
Luginger stand unschlüssig vor den Kissen und starrte die Wände an. Alles weiß, nur weiß, sonst nichts. Säuft wie ein Loch und macht einen auf Buddha, dachte er. Essen auf dem Boden,
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