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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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bringt uns morgens Kakao ins Zelt.«
    Claudine schließt kurz die Augen. So ist das? Sie wirft ihrem Mann vor, ihr sein langweiliges Leben übergestülpt zu haben und dann mutiert sie zur Oberspießerin, die alles verbietet? So sehen ihre Kinder sie?
    Â»Wir könnten natürlich auch eine riesige Party machen«, schlägt Uwe jetzt vor.
    Claudine geht schnell weiter. Sie will nicht hören, wie ihr Sohn jetzt sagt, dass Mama laute Musik immer verbietet und ja eh nie lachen würde.
    Sie geht ins Schlafzimmer, nimmt sich das Foto mit Charlotta und Niklas, das auf ihrem Nachttisch steht. Sie überlegt sich, was sie Gott anbieten könnte, damit er ihre Tochter zurückbringt.
    Vielleicht einfach wieder sie selber sein? Alles andere ist ohnehin nur Reue.

Vorbereitungen
    C harlotta hockt über ihrem Eimer. Der Schmerz ist fast unerträglich. Der Gestank auch. Alles in ihrem Bauch krampft sich zusammen. Irgendwann zieht sie einfach die Hose hoch. Und lässt sich zur Seite fallen. Sie kann nicht mehr. Sie möchte nur noch schlafen. Wenn man schläft, tut nichts mehr weh. Aber die Fragen halten sie wach: Wer war das? Wer ist dieser Typ? Warum hat Emilia ihn geschickt? Offenbar vertraut sie ihm ja. Sonst hätte sie ihm den Schlüssel nicht gegeben. Aber warum darf sie nicht nach Hause? Sind ihre Eltern vielleicht nicht voller Angst, sondern voller Wut? Sind sie richtig sauer auf sie? Möchte Emilia, dass die Wut erst verraucht? Und was verdammt ist mit Emilia? Charlotta spürt mit jeder Faser, wie sehr sie die Freundin vermisst. Ihr Lachen, ihre Verrücktheit, ihre Nähe. Und wie sehr sie Niklas vermisst. Diese kleine laute Nervensäge. Wenn es helfen würde, verspräche sie, zehn Stunden am Stück Carrerabahn zu fahren und danach noch das große Lego-Piratenschiff zu bauen.
    Es hilft aber leider nicht.
    Erst muss sie sich nämlich selber helfen.
    Julius ist im Stress. Er muss in die Drogerie und Toilettenpapier kaufen. Er ärgert sich, dass er Lotta Toast mit Butter zu essen gegeben hat. Am besten trinkt sie erst mal nur gezuckerten schwarzen Tee mit Vitaminen. Außerdem muss er in die Stadt, um ganz frische Klamotten für sie zu kaufen. Er streift durch die Regale bei H&M. Er ist fremd in dieser Welt. Welche Größe hat Lotta wohl? Welche Farben mag sie? Irritiert steht er vor den Unterwäscheständern. Fast ehrfürchtig fasst er die Spitzen-BHs an, betrachtet überrascht die String-Tangas. Will er, dass sie so etwas trägt? Nein. Er entscheidet sich für zwei weiße Unterhosen samt Unterhemden. Mit kleinen lilafarbenen Blumen drauf. Dazu nimmt er zwei blaue Leggings und drei Shirts mit wirren Mustern.
    Als er an der Kasse gefragt wird, ob das alles als Geschenk eingepackt werden soll, stutzt er kurz. Dann winkt er ab.
    Â»Nein, schon gut. Bringe ich meiner Freundin so mit«, sagt er. Seiner Freundin. Der Satz fühlt sich gut an. Alles fühlt sich verdammt gut an.
    Der nächste Punkt auf seiner Liste wird schwieriger. Er braucht einen Fotoapparat. Wenn er mit Lotta das Land verlassen will, benötigt sie einen Pass. Einen falschen. Er weiß noch nicht, wo er den herbekommen kann. Das wird sich finden. Aber er ist sich sicher, dass er dafür ein echtes Foto braucht. Er weiß, dass es in der Notaufnahme in der Klinik einen Apparat gibt. Manchmal werden dort Verletzungen fotografiert. Wenn wieder ein Kind eingeliefert wird, das angeblich die Treppe hinuntergefallen ist, und jeder sieht, dass das ganz andere Wunden sind. Er weiß, dass er jetzt ein hohes Risiko eingeht, wenn er sich die Kamera ausleiht, aber eine andere Chance hat er nicht. Natürlich hat er ein bisschen Geld auf dem Konto. Julius hat keine teuren Hobbys. Er gibt kaum Kohle für Klamotten aus, fährt kein Auto, verreist nicht. Ab und zu geht er alleine ins Kino. Mehr nicht. Aber er will das Geld jetzt nicht antasten, um eine Kamera zu kaufen. Sein Erspartes wird er für den falschen Pass, die Reise und den Neu-Anfang brauchen. Er beeilt sich, ist ziemlich außer Atem, als er an der Klinik ankommt. Zuerst will er nach Emilia schauen. Mit den Worten »Mist, ich habe schon wieder meinen Schlüssel hier vergessen« kommt er in das Schwesternzimmer. Er tut so, als würde er seinen Wohnungsschlüssel aus dem Schrank nehmen, steckt ihn in die Hosentasche. Von dem Raum hat man alle Patienten im Blick. Julius starrt auf das leere Bett. Sein Herz rast.

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