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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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Anrufbeantworter quatschen. Das wäre ihm am liebsten. Doch schon nach dem zweiten Klingeln geht jemand dran. Es ist ausgerechnet David selber. Seine Mutter oder sein Vater wären ihm lieber gewesen.
    Â»Hi. Ich bin es, Tim«, sagt er tonlos.
    Â»He! Was ist los? Warum bist du noch nicht unterwegs?«, staunt David.
    Â»Du, ich kann nicht kommen. Ich bin irgendwie krank«, stammelt Tim.
    Â»Was heißt: irgendwie krank?«
    Â»Ich komme halt vom Klo nicht runter. Brechen und so.«
    David kennt Tim. Seit ewigen Jahren. Er weiß, dass der Freund lügt. Er nickt, merkt dann, dass lange nichts gesagt wurde.
    Â»Na dann: Gute Besserung. Vielleicht kannst du ja nachkommen, wenn sich dein Magen wieder beruhigt hat«, schlägt er vor und weiß schon ganz genau, dass Tim das nicht machen wird.
    Â»Mach ich. Viel Spaß und gib ordentlich Gas.«
    Sie legen beide auf. Bleiben beide noch mit dem Telefon in der Hand stehen. Tim würde das Gerät am liebsten gegen die Wand werfen. Er hat Davids Enttäuschung gespürt. Doch David ist nicht nur enttäuscht. Er ist traurig. Warum weicht Tim ihm seit Tagen aus? Und warum kommt er jetzt noch nicht mal zu seinem Geburtstag. Er hat noch nicht mal gratuliert, fällt ihm auf. Ist er sauer auf ihn? Am liebsten würde er das alles jetzt Tim um die Ohren knallen, zu ihm fahren und ihn direkt fragen.
    Tim hat sich aufs Bett gelegt und starrt die Raufasertapete an. Bis er seine Mutter aus der Küche hört.
    Â»Tim! Musst du nicht los? Ist heute nicht Davids Geburtstagsfeier?«
    Mist. Warum hat die sich das gemerkt?
    Â»Bin schon weg«, ruft Tim zurück. Er schnappt sich die Jacke und geht. Einfach drauflos. Es fängt an zu regnen. Super. Die nächsten Stunden kann er nicht nach Hause. Kohle für Kino oder Eisdiele hat er nicht. Er fühlt sich wie ein Aussätziger, ein Heimatloser. Er geht einfach weiter. Richtung Innenstadt, auf der anderen Seite der Fußgängerzone wieder raus. Der Weg ist egal. Nur die Zeit muss er ablaufen. Er sieht den alten Bulli an der Ampel nicht. Dabei kennt er die Karre von Davids großem Stiefbruder bestens. Fast jedes Wochenende, wenn er seinen Vater besucht, schraubt der an dem Bus rum. Dass er die Jungs mit dem Bulli zur Kartbahn chauffiert, ist sein Geschenk für David.
    David sieht Tim sofort. Er kennt den schludrigen Gang, die verwaschene Jeansjacke, den leicht schräg gehaltenen Kopf. Er kann es nicht glauben. Tim ist offenbar doch vom Klo runtergekommen. Er sieht nicht aus, als müsste er jeden Moment wieder brechen. David wusste, dass Tim vorhin nicht die Wahrheit gesagt hat. Aber es jetzt zu sehen, gibt ihm noch einen Stich. Wo will Tim wohl hin? Mit wem trifft er sich? Warum ist das wichtiger? David wird wütend.
    Â»Es ist grün«, faucht er seinen Stiefbruder an.
    Er kann es gar nicht abwarten, sich ins Kart zu setzen und Gas zu geben. Er ist einfach nur noch zornig. Er dreht Runde um Runde, aber die Wut verraucht nicht. Selbst in der Pizzeria spürt er sie wie eine heiße Kugel in seinem Magen.
    Als er die Rechnung bezahlt – wie er natürlich auch die Kartbahn bezahlt hat, mit einem großen Schein, dem ihm seine Eltern mitgegeben haben –, sagt einer plötzlich: »Schade, dass Tim nicht gekommen ist.«
    Â»Tim?« David tut so, als müsse er wirklich einen Moment überlegen, wer das noch mal ist. »Ach. Tim. Ja. Aber der ist eh irgendwie komisch geworden. Vielleicht musste er ja heute in die Stadt, sich neue Turnschuhe kaufen«, lacht er falsch. Und er weiß nicht so richtig, ob er ein Verräter oder der Verratene ist.

Rückwärts die Treppe hoch
    C harlotta schluckt und schluckt. Sie will nicht schon wieder heulen. Sie starrt in die Finsternis. Sie kann immer noch nicht wirklich glauben, dass die Nacht zum zweiten Mal hereingebrochen ist, und Emilia immer noch nicht da war. War nicht ganz klar verabredet, dass sie heute kommt? Sonst hätte Charlotta doch viel mehr zu trinken deponiert. Vielleicht kann Emilia sich nicht vorstellen, wie diese Einsamkeit, diese Stille an einem frisst. Aber sie muss sich doch vorstellen können, dass Charlotta Durst haben wird. Das kann sie doch nicht zulassen. Oder? Was könnte es sein, dass die Freundin abhält? Was ist so wichtig, als dass Emilia Charlotta darüber vergisst? Kurz, zu kurz, denkt Charlotta über die Möglichkeit eines Unfalls nach. Verwirft den Gedanken wieder.

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