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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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chattet.
    Â»Wer genau ist Mats?« Der Polizeibeamte ist leise ins Wohnzimmer gekommen, wo Charlottas Eltern wie eine schlechte Kopie von sich selber auf der Couch sitzen.
    Â»Ein Junge aus der Nachbarschaft. Zu dem wollte Charlotta am Samstagvormittag eigentlich mit dem Rad. Wieso?« Uwe Brandt guckt den Beamten argwöhnisch an.
    Â»Ich habe gerade eine Unterhaltung im Internet mitbekommen, bei der ein Mädchen behauptet, der sei irgendwie seltsam.«
    Â»Was für eine Unterhaltung?«, will Claudine Brandt wissen.
    Â»Ich habe heute Nachmittag mit einem falschen Profil einer Freundin von Charlotta eine Freundschaftsanfrage geschickt, die die sogleich angenommen hat. Manchmal ist es ganz hilfreich, wenn man da unbemerkt lauschen kann. «
    Â»Vielleicht hätten wir das vorher auch machen sollen. Dann wüssten wir vielleicht, wer unsere Tochter wirklich war«, sagt ihre Mutter müde.
    Â»War?« Uwe Brandt starrt seine Frau an.
    Â»Entschuldigung«, flüstert die nur. »Möchtest du auch noch einen Kaffee?«
    Er ist wieder zusammengesackt, schüttelt den Kopf.
    Â»Wir werden die Spur morgen früh weiterverfolgen. Das entsprechende Mädchen hat sich gerade ausgeloggt. Vielleicht sollten Sie sich jetzt mal etwas hinlegen«, schlägt der Polizist vorsichtig vor.
    Claudine Brandt, die mit einer Tasse in der Hand wieder reinkommt, blitzt ihn nur an. »Sie können sich gerne hinlegen, wenn Sie möchten. Nehmen Sie ruhig mein Bett. Ich brauche das heute Nacht sicherlich nicht.«
    Sie geht zum Fenster, starrt in die Nacht. Irgendwo da draußen ist ihre Tochter und braucht Hilfe. Das spürt sie. »Wo bist du? Wo verdammt bist du nur?«, flüstert sie in die Dunkelheit. Dann nimmt sie einen Schluck Kaffee, wartet, bis der ganz bitter in ihrem Mund geworden ist, und schluckt ihn dann erst runter.

Eine Saite beginnt zu klingen
    W er ist im Keller? Und warum?«
    Auch Julius flüstert. Emilia flüstert dann zurück und das scheint sie nicht so anzustrengen. Sie versucht, immer deutlichere Worte zu formen, wenn die Lichter in ihrem Kopf gerade an sind.
    Julius’ Blick geht zu dem Foto. Er hat es so gestellt, dass ein Schatten darauffällt. Genauso wie durch den geklebten Riss in dem Bild seiner Mutter wird Charlottas Foto geteilt. Er schaudert.
    Â»Ich habe sie eingesperrt«, hört er nach einer Ewigkeit.
    Er stutzt, streichelt ihr aber beruhigend über den Arm. »Wen hast du eingesperrt?«
    Â»Lotta.«
    Er kann sich nicht vorstellen, dass Emilia jemanden einsperrt. Oder ist Lotta nicht Charlotta? Kein Mädchen, sondern ein Tier? Fantasiert sie vielleicht die ganze Zeit von ihrem Hund oder ihrer Katze?
    Â»Wie sieht Lotta aus?«, flüstert er schnell. Sie darf nicht wieder abtauchen.
    Â»Ganz lange blonde Haare. Lieb. Ich hab sie so lieb«, haucht Emilia mehr, als dass sie spricht.
    Â»Und sie hat extra die Schuhe von ihrer Mutter an«, schiebt sie hinterher.
    Julius ist irritiert. Sie scheint also doch von einem Mädchen zu reden. Von einem Mädchen, das irgendwo eingesperrt im Keller sitzt. Mit langen blonden Haaren und vielleicht einem lieben Blick. Diese Vorstellung berührt ihn im Innersten. Das Bild geht durch in durch, brennt sich auf eine ganz dunkle Stelle in seiner Seele. Es ist, als würde eine Saite in ihm klingen. Ein ganz warmer Ton schwingt in ihm. Er fühlt sich plötzlich ganz weich.
    Â»Was machst du da?«
    Er hat die leitende Nachtschwester nicht kommen hören. »Sie war so unruhig«, stammelt er und muss sich räuspern.
    Â»Wir haben hier noch ein paar Dinge zu tun. Und wenn die vor dem Ende der Nachtschicht nicht erledigt sind, werde ich ganz unruhig«, sagt die Schwester unwirsch.
    Er nickt. Erst eine Stunde später kann er unbemerkt wieder zu Emilia. Die Spritze hat er die ganze Zeit im Kittel. Natürlich dürfte er nicht an die schweren Beruhigungsmittel kommen. Aber er weiß, wo der Schlüssel für den Giftschrank liegt. Er handelt wie in Trance. Noch nie hat er heimlich Medikamente verabreicht. Noch nicht einmal Hustensaft. Jetzt spritzt er ein starkes Beruhigungsmittel in Emilias Zugang. Er will einfach nicht, dass sie anderen von diesem Wesen erzählt. Das soll das Geheimnis zwischen ihm und ihr sein. Er wird ihr helfen. Und vielleicht stimmt es ja wirklich. Vielleicht sitzt da irgendwo ein liebes Mädchen, das darauf wartet, gerettet zu werden. Von ihm.

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