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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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verschüttet.
    Er fühlt sich lebendig begraben.
    So wie Charlotta.
    Sie hat die Hände zu Fäusten geballt, so fest, dass es wehtut. Alles in ihr schreit. Jede Zelle brüllt ihre Angst raus. Sie springt auf, kann diese Angst nicht aushalten und kann auch nicht vor ihr fliehen. Sie drückt sich wieder die Handballen gegen die Augen. Was ist mit ihrem Film? Wie verdammt geht er weiter? Sie muss wieder abtauchen, sonst erträgt sie es nicht. Was verdammt macht Tim? Steigt er in einen Zug, wird an irgendeinem Bahnhof angespült, wo er wie von einer Welle verschluckt wird?
    Sie weiß es plötzlich nicht mehr.
    Oder kommt David noch mal vorbei? Sagt irgendwas ganz Gewöhnliches wie Los Alter, lass uns mal wieder skaten gehen?
    Eine ganz leise Frage schleicht sich von hinten auf Zehenspitzen in ihr Gehirn. Wie gut ist die Freundschaft zwischen Tim und David? Die nächste Frage schreit sie an: Wie gut ist ihre Freundschaft zu Emilia?
    Emilia war einfach immer da, immer nah. Waren sie sich vielleicht zu nah? Charlotta hat einen neuen bitteren Geschmack auf der Zunge. Es war so einfach, immer Emilia zu folgen. Eigentlich wäre sie manchmal lieber einen anderen Weg gegangen. Aber dann hatte sie oft Angst gehabt, Emilia zu verletzen. Ist das Freundschaft? Wer verdammt ist sie eigentlich außer Emilias siamesische Schwester?

Zurück im Niemandsland
    D r. Hofer guckt auf das Blatt. Eigentlich waren die Daten von dieser Emilia ganz gut. Und doch ist sie jetzt wieder ins Niemandsland abgetaucht. Seit Stunden war sie nicht mehr wach. Das passt eigentlich nicht zu der bisherigen Entwicklung. Das ist ganz klar ein Rückschritt. Vielleicht sollte er noch mal ein CT ansetzen. Sein Pieper geht. Ein neuer Notfall ruft nach ihm. Es ist Sommer, ein heißer Sommer. Fast jeden Tag werden Motorradfahrer mit schwersten Verletzungen eingeliefert. Die junge Beifahrerin, die sein Team jetzt auf den OP-Tisch bettet, wird die nächste Stunde nicht überleben. Zu den Bikern kommen die Alten, die das Klima nicht vertragen. Dr. Hofer muss den Gedanken an Emilia zur Seite schieben. Es geht ihr nicht bedrohlich schlechter. Nur irgendwas stimmt hier nicht.
    Auch Julius ist erstaunt. Er hätte nicht gedacht, dass er Emilia so lange wieder zurück ins Nirwana schickt. Er kennt sich schon ganz gut aus mit den Beruhigungs- und Schmerzmitteln. Mit der Dosierung nicht so.
    Dagmar und Michael spüren, dass irgendwas in der Luft liegt. Immer wieder fragen sie die Oberschwester. Emilia sei doch schon bei Bewusstsein gewesen. Wieso ist sie jetzt wieder im Koma? Ist wirklich noch alles in Ordnung? Was bedeutet das? Kann es noch Komplikationen geben? Die Oberschwester hat viel Verständnis und wenig Zeit. Sie versucht, die Eltern auf die Schnelle zu beruhigen. Man müsse abwarten. Jeder Heilungsprozess verliefe anders. Es sei doch schon mal schön, dass Emilia wieder zu sich gekommen sei und sie erkannt habe. Und schon ist sie auf ihren leisen Gummisohlen wieder weg. Auf dem Weg zu anderen Patienten und deren verzweifelten Angehörigen.
    Â»Ihr seht aus wie ganz normale Eltern.« Sophie hat sich von hinten angeschlichen.
    Â»Wir sind ganz normale Eltern«, sagt Dagmar ruhig.
    Â»Nein, du weißt schon. Als wärt ihr noch zusammen.«
    Michael guckt zur Seite. In den letzten Stunden hatte sich dieser kleine, scharfe Gedanke auch immer wieder in seinen Kopf zwischen all die anderen Gedanken geschoben.
    Â»Mark hat übrigens angerufen. Du sollst dich bei ihm melden«, sagt Sophie leise.
    Mark? Michael muss wirklich einen ganz kurzen Moment überlegen. Ach ja. Der Freund seiner Exfrau. Er hat es bis jetzt ganz gut geschafft, dessen Existenz auszublenden.
    Â»Warum?«, will Dagmar von Sophie wissen.
    Â»Das weiß ich doch nicht. Vielleicht weil er dich mal wieder bumsen will«, zischt Sophie.
    Die Eltern zucken zusammen.
    Â»Was soll das?«, flüstert Dagmar. »Das finde ich sehr unangemessen.«
    Völlig unerwartet kullern runde große Tränen über die blasse Haut der Tochter. »Entschuldigung. Aber ich kann das nicht. Meine Schwester liegt da und sieht fast tot aus, ihr sitzt hier nebeneinander und erinnert mich ganz fürchterlich daran, wie es mal war, und am Telefon quatscht mich dein langweiliger Lover voll. Das ist einfach too much.«
    Michael greift in seine Hosentasche und zieht ein Stofftaschentuch heraus. Er reicht es Sophie und die Tochter und die Mutter gucken

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