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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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er nicht gebraucht. Er ist seit halb drei wach. Seit dem Moment, als seine Mutter sich neben ihn gelegt hat. Ganz leise war sie reingekommen, mit ihrer Decke. Sie hatte sich neben ihn gelegt, hatte seinen Arm gestreichelt und war eingeschlafen.
    Hat sie das vorher schon mal gemacht?
    Was sollte das?
    Er liegt stocksteif da.
    Hat der Vater die Mutter geschlagen? Sucht sie Schutz?
    Es ist ihm so unangenehm, so fremd. Soll er sie in den Arm nehmen?
    Er ist um Viertel vor sieben an der Schule und um sieben Uhr im Park. Er läuft und läuft. Als er um halb zehn vor Erschöpfung würgen muss, legt er sich kurzerhand auf eine Bank und ist sofort eingeschlafen.
    Charlotta schwelgt kurz in diesem Gedanken. Sich hinlegen, schlafen. Nichts mehr denken. Das ist doch IHR Wunsch.
    David ist fassungslos. Er hatte sich fest vorgenommen, mit Tim zu reden. Ihm zu sagen, dass er ihn gesehen hat am Samstag. Aber Tim ist nicht da. Krankgemeldet.
    Bis Mittwoch hält Tim es aus. Er hängt im Park ab, klaut sich was zu essen. Er bevorzugt ein italienisches Fastfood-Restaurant, wo es riesige Portionen gibt, die fast keiner schafft. Viele Leute lassen ihre Teller einfach stehen. Er räumt sie wie selbstverständlich ab, greift sich die halben Pizzen, stopft sie sich in den Mund. Den Ekel hat er sich abgewöhnt. Am Abend geht er nach Hause, schließt sich in seinem Zimmer ein. Er hat einfach Angst davor, dass seine Mutter wieder zu ihm geschlichen kommt. Er kann gar nicht sagen, warum. Er liebt seine Mutter. Sie tut ihm oft so leid in letzter Zeit. So leid, dass er sich für sie schämt. Und das findet er noch trauriger. Er kann sie nicht trösten. Er kann sie nicht beschützen. Und er will nicht dieses Putzmittel riechen, das mittlerweile aus all ihren Poren dünstet.
    Als er am Mittwochmittag wieder zum Italiener geht, hält ihn direkt hinter der Tür ein Mann fest. »Es reicht. Wir haben uns das zwei Tage lang angeguckt, jetzt musst du woanders betteln gehen. Hier gibt es nichts mehr für dich. Außer du bezahlst.«
    Tim geht. Jetzt schämt er sich für sich selber. Er sieht sich plötzlich wie durch fremde Augen. Wie er da durch die Fußgängerzone geht. Ein Junge mit kaputten Schuhen, fettigen Haaren, Mundgeruch, den man einfach hat, wenn man den ganzen Tag noch nichts gegessen hat. Er setzt sich auf eine Bank. Er versucht sich zu erinnern. Wie fühlte es sich an, als alles normal war? Das ist doch erst ein paar Monate her. Da war alles so einfach. Er wusste nicht, dass es einfach ist, weil er nicht wusste, was schwierig ist. Neben ihm fängt ein Mädchen an, Geige zu spielen.
    Â»Spare für eine neue Geige« steht auf dem Schild vor ihrem Koffer.
    Â»Du solltest für Geigenunterricht sparen«, ruft er in ihre Richtung und geht weg. Er lässt sich mitziehen, vorbei an den Geschäften. Ihn nerven plötzlich all die Menschen. Dieses Geschubse, dieser Lärm. Er wird angerempelt von einer vorbeieilenden Frau und fällt fast hin. Er hat keine Kraft mehr. Keine Kraft mehr in seinem Körper und keine mehr in seinem Kopf. Und dann geht er los. Den ganzen langen Weg zu David. Er ist der Einzige, zu dem er gehen kann. Der ihm helfen wird. Es fühlt sich plötzlich gut an, wieder ein Ziel zu haben. David hat bestimmt eine Idee. Und er wird keinen dummen Spruch machen. Vielleicht kann er sich auch ein paar saubere Klamotten leihen. Er fühlt sich schon fast gut, als er am Haus des Kumpels ankommt. Maya spielt im Garten. Sie hat Puppen aufgereiht und unterrichtet sie mit lauter spitzer Stimme.
    Â»Hallo, Maya. Ist David da?« Tim ist am Zaun stehen geblieben.
    Die kleine Schwester funkelt Tim an. Sie hat schon längst gemerkt, dass es zwischen ihm und ihrem Bruder wohl gekracht hat. Tim war lange nicht da. Sie hatte David ein bisschen mehr für sich alleine gehabt. Gestern hatte er sogar eine Partie Malefiz mit ihr gespielt. »Nee, der ist nicht da«, sagt sie schnippisch und lügt noch nicht mal.
    Â»Wohin ist er denn?« Tims Stimme zittert leicht vor Enttäuschung.
    Maya zuckt nur die Schultern. Sie spürt, dass sie die Überlegene ist in dieser Unterhaltung.
    Â»Kannst du ihm wohl was ausrichten?«
    Â»Klar. Ich bin ja kein Baby mehr«, zickt sie zurück.
    Â»Sag ihm bitte, er soll heute um sieben zum Brunnen kommen, okay? Es ist wichtig«, sagt Tim langsam.
    Â»Mach ich.«
    Das Mädchen hat sich schon wieder den Puppen

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