Boeser Traum
Mann gefunden, der ihr ein Reihenmittelhaus gebaut hätte.«
»So einen Mann wie ich?«, fragt Uwe Brandt müde.
Er starrt auf den Kaffee in seiner Hand. Der Wievielte ist das? Und was ist aus seinem Leben geworden? Samstagmorgen noch waren sie eine glückliche Familie. Dachte er. Jetzt ist seine Tochter weg und seine Frau wirft mit beiden Händen Dreck auf ihr bisheriges Leben. Er hätte nicht übel Lust, auch einfach zu gehen. Hat Charlotta auch so gefühlt?
Klaus Peters geht dazwischen. »Herr Brandt, könnte ich Sie kurz sprechen?«
Er ahnt, wenn diese Unterhaltung nicht gestoppt wird, werden Dinge gesagt, die Wunden reiÃen, die nie wieder verheilen. Egal, ob Charlotta wieder zurückkommt oder nicht.
»Was ist?« Uwe Brandt ist ihm ins Wohnzimmer gefolgt.
»Nichts. Setzen Sie sich einfach.«
Uwe Brandt guckt ihn überrascht an, nickt dann dankbar und setzt sich.
Die Suche beginnt. Spät.
U m 8:05 Uhr steht Julius am Heimatmuseum, um dort festzustellen, dass das erst um neun Uhr aufmacht. Er hätte eine Stunde länger schlafen können. Wie blöd. In der Bäckerei gegenüber holt er sich ein Croissant und einen Kakao. Er setzt sich auf die Stufen des Museums und stellt sich dieses blonde Mädchen in einem dunklen Keller vor. Er kann an nichts anderes denken. Ein Mädchen, das schmutzig ist und hilflos. Ein Mädchen, das er retten muss. Das er pflegen, beschützen muss.
Die Antwort der Museumspädagogin ist eine kalte Dusche. »Ein Bergwerk? Hier in der Nähe? Nein, das gibt es nicht, und das gabâs auch nie.« Wie ein nasser Pudel steht Julius vor ihr. Und er geht nicht. Guckt sie nur traurig an.
»Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen?« Der junge Mann tut ihr leid.
»Vielleicht meinte sie ja nicht Bergwerk«, sagt er leise.
»Wie bitte?«
Er guckt sie an, scheint überrascht, dass er immer noch hier im Museum steht. Er holt tief Luft.
»Es geht um meine Oma. Sie liegt im Sterben und sie redet so wirr. Sie scheint sich an irgendwas zu erinnern von früher. Ich würde die Stellen und Orte gerne für sie fotografieren. Sie kann ja selber nicht mehr hin. Und ich dachte, sie hat was von einem Bergwerk gesagt. Aber ich habe sie vielleicht falsch verstanden«, lügt er ganz ruhig.
Natürlich ist die Frau berührt. Sie fängt an zu überlegen. Was könnte die Oma gemeint haben?
»Vielleicht meinte Ihre GroÃmutter auch das Sägewerk oder das Klärwerk?«, schlägt sie irgendwann vor.
Julius nickt. Könnte durchaus sein. Richtig deutlich hatte Emilia nicht gesprochen.
»Gibt es ein Sägewerk oder ein Klärwerk?«
»Teils, teils. Es gibt ein altes Sägewerk. Das liegt in Richtung Beusener Mühle. Aber das ist wirklich schon ewig nicht mehr im Betrieb. Und es gibt das Klärwerk im Siepener Tal.«
Ein Sägewerk, das nicht mehr im Betrieb ist. Das eben alt ist, so wie Emilia es gesagt hat, das gefällt Julius. »Können Sie mir genau sagen, wo das Sägewerk ist?« Er merkt, wie er wach wird, wie das Adrenalin steigt.
Die Frau holt einen Stadtplan raus, umkringelt das Sägewerk mit einem roten Kugelschreiber. »Ich hoffe, Sie können ein schönes Foto für Ihre Oma machen. Sie muss sehr glücklich sein, so einen Enkel zu haben«, sagt sie fast ergriffen.
Julius ist schon raus.
Die Beusener Mühle ist fast neun Kilometer entfernt. Er geht noch mal rüber zum Bäcker gegenüber, kauft zwei Nussecken und zwei Flaschen Wasser, stopft alles in seine Umhängetasche und radelt los.
Das Sägewerk ist nicht alt. Es ist quasi nicht mehr vorhanden. Ein alter Kran steht da noch. Eine halb eingefal lene Halle. Verrostete Maschinen darin. Und von einem Kel ler ist weit und breit nichts zu sehen. Julius setzt sich auf eine Mauer. Der Ort fühlt sich tot an. Er glaubt, dass sich irgendwas in ihm regen würde, wenn er wirklich dieser Lotta auf der Spur wäre. Er versucht, sich Emilia hier vorzustellen. Auf dem Rad. Das gelingt ihm nicht. An diesem Ort war seit Ewigkeiten niemand. Das riecht er einfach.
Er mümmelt eine Nussecke, ohne dass er das registriert.Seine Konzentration ist nur auf die Fährtensuche gerichtet. Es ist, als ob die Zeit stehen bliebe, als ob die Zeit den Atem anhielte.
Ein Stöhnen, eine Flucht
D agmar und Michael sitzen in der Cafeteria des Krankenhauses. Sie haben sich gegenseitig versichert, dass es
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