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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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sie in wichtigen Ermittlungen steckte, rief er so gut wie nie an, schickte höchstens eine SMS .
    »Hallo, Pia!«, hörte sie Lillys Stimme an ihrem Ohr und war erleichtert. »Ich hab dich so lange nicht gesehen.«
    »Hallo, Lilly.« Pia senkte die Stimme und wanderte um den Besprechungstisch herum. »Wir haben uns doch erst gestern Abend gesehen. Wo bist du gerade?«
    »In Opas Büro. Weißt du, Pia, ich hatte eine Zecke! In den Haaren! Aber der Opa hat sie mir rausoperiert.«
    »Oje. Hat es weh getan?« Pia musste lächeln und drehte sich zur Wand um. Sie hörte Lilly eine Weile zu, dann versprach sie ihr, heute Abend früher zu Hause zu sein als sonst.
    »Ich soll dir vom Opa ausrichten, dass wir einen gaaaanz leckeren Kartoffelsalat machen.«
    »Na, ein Grund mehr, früh nach Hause zu kommen.«
    Pia sah, dass Bodenstein ihr ein Zeichen machte, dass er gehen wollte. Sie verabschiedete sich von Lilly und steckte das Handy in die hintere Hosentasche ihrer Jeans. Es tat ihr ehrlich leid, dass die Kleine bald wieder abreisen würde.
    »Ich finde es irgendwie eigenartig, dass niemand aus dem engsten Mitarbeiter- und Kollegenkreis etwas über Hannas Recherchen weiß«, sagte sie zu ihrem Chef, als sie das Bürogebäude verließen und zu ihrem Auto gingen. »Und diese Tochter ist mir total suspekt. So wenig Mitgefühl kann man mit seiner Mutter doch gar nicht haben.«
    Sie war höchst unzufrieden mit dem Ergebnis ihrer Gespräche. Selten zuvor hatten sich Ermittlungsarbeiten so zäh gestaltet wie bei den beiden aktuellen Fällen. Bei der morgendlichen Besprechung hatte Kriminalrätin Engel heute zum ersten Mal Druck gemacht und das zu Recht, denn weder im Fall ›Nixe‹ noch in der Sache Hanna Herzmann gab es Fortschritte. Bodenstein hatte die Hanauer Kollegen um Amtshilfe gebeten. Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Postfaches auf dem Hanauer Postamt erschien ihm als letzte Möglichkeit, den Aufenthaltsort von Bernd Prinzler in Erfahrung zu bringen, nachdem die Überprüfung der Register sämtlicher Einwohnermeldeämter in ganz Deutschland kein zufriedenstellendes Ergebnis geliefert hatte.
    »Nach Aktenzeichen XY am Mittwoch wird sich etwas tun«, prophezeite Bodenstein. »Ich weiß es.«
    »Na, dein Wort in Gottes Ohr«, entgegnete Pia trocken und schloss das Auto auf. Sie blickte hoch, weil sie sich beobachtet fühlte. Meike Herzmann stand an einem der Fenster im fünften Stock und starrte auf sie herunter.
    »Dich krieg ich auch noch«, murmelte Pia. »Von dir lass ich mich nicht verarschen.«
    *
    Ihre Schwiegereltern waren schon zum Flughafen gefahren, als Emma nach der Besprechung nach Hause kam. Den ganzen Vormittag war ihr die seltsame Begegnung mit Helga Grasser durch den Kopf gegangen. Natürlich hätte sie Florian anrufen und ihn ganz direkt danach fragen können, weshalb er ihr nie von seiner Zwillingsschwester erzählt hatte, aber nach allem, was vorgefallen war, brachte sie das einfach nicht über sich.
    Emma zögerte, als sie vor der Wohnungstür ihrer Schwiegereltern stand. Die Tür war nie abgeschlossen, sie durfte kommen und gehen, wie es ihr beliebte, dennoch fühlte sie sich wie eine Einbrecherin, als sie nun die Wohnung betrat und sich umblickte. Renate bewahrte ihre Fotoalben im Wohnzimmerschrank auf, sie waren nach Jahren geordnet, und Emma begann mit dem Album von 1964, dem Jahr von Florians Geburt. Eine Stunde später hatte sie Dutzende Fotoalben durchgeblättert, sie hatte Florian, seine Zieh- und Adoptivgeschwister und zig andere Kinder in allen Altersstufen gesehen, aber kein Mädchen, das wie eine Zwillingsschwester aussah. Mit einer Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung brach Emma ihre Suche ab und verließ die Wohnung ihrer Schwiegereltern. Hatte Corinna recht? War Helga Grasser wirklich nur eine alte Spinnerin, die gerne Märchen erzählte? Aber wieso hatte sie das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein so verändert? Emma steckte nachdenklich den Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür. Warum hatte sie von sechs Geißlein gesprochen? Hatte sie Florian und seine Ziehgeschwister gemeint? Florian, Corinna, Sarah, Nicky, Ralf – einer fehlte dann. Aber wer? Emmas Blick wanderte die Holztreppe hoch, die hinauf zum Speicher führte. Sie war nur ein einziges Mal dort oben gewesen, zusammen mit Renate, als diese ihr das Haus gezeigt hatte. Hatte Helga Grasser in ihrer Märchen-Version nicht einen Speicher erwähnt? Emma zog den Schlüssel wieder aus dem Schloss und stieg kurz

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