Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
widerlich.«
»Na ja …« Altmüller verzog nachdenklich das Gesicht. »Stellen Sie sich vor, Sie werden ein paar Mal von Ihrem ehemals besten Freund in aller Öffentlichkeit gedemütigt. Dann leistet dieser sich einen wirklich katastrophalen Fehltritt. Was soll ein Staatsanwalt machen? Er muss ja von Amts wegen die Sache verfolgen.«
»Ja, ganz sicher. Gerade wenn es um Kindesmissbrauch geht«, stimmte Cem Altunay zu. »Aber Frey hätte den Fall wegen persönlicher Befangenheit ablehnen müssen.«
»Hätte er, vielleicht. Aber er sah womöglich eine Chance, sich für Fehler seiner Abteilung zu rehabilitieren und zu profilieren. Der Mann ist nicht ohne Grund mit Mitte dreißig Oberstaatsanwalt geworden. Er ist ehrgeizig, knallhart und unbestechlich.«
»Was wissen Sie über Bernd Prinzler?«, erkundigte sich Pia.
»Prinzler war mal eine ganz große Nummer bei den Road Kings«, erwiderte Altmüller. »Die Öffentlichkeit verklärt die Kings zu einer Motorradgang, die ein bisschen schmutzige Geschäfte macht. In Wirklichkeit sind sie aber eine straff durchorganisierte Truppe mit einer strengen, fast schon militärischen Hierarchie. Beim Kampf um die Vorherrschaft im Milieu mit Kosovo-Albanern und Russen kam es immer wieder zu Kollateralschäden, die den einen oder anderen von ihnen vor Gericht und ins Gefängnis brachten, aber im Großen und Ganzen ließ man sie gewähren, denn sie schafften mit harter Hand Ordnung und nahmen uns damit Arbeit ab. Prinzler war in den Neunzigern Vizepräsident des Frankfurter Charters, man fürchtete und respektierte ihn. Rothemund hat ihn ein paarmal erfolgreich vor dem Knast bewahrt. Ganz plötzlich verschwand Prinzler dann von der Bildfläche. Man vermutete zuerst, er sei bei seinen Kollegen in Ungnade gefallen, und eine Zeitlang rechnete man damit, irgendwo seine Leiche zu finden, aber er war einfach aus dem Tagesgeschäft ausgestiegen und hatte innerhalb der Organisation andere Aufgaben übernommen.«
»Welche? Und warum?«, wollte Christian Kröger wissen.
»Da kann ich nur spekulieren. Wir haben zwar damals einen V-Mann bei den Kings einschleusen können, aber der wurde bei einer Razzia erschossen.« Altmüller zuckte die Achseln. »Es hieß, Prinzler habe geheiratet und wolle nicht mehr an vorderster Front stehen.«
»Wir haben seine Frau und seine Kinder heute Morgen gesehen«, bestätigte Cem. »Zwei Söhne im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren.«
»Das würde ja passen«, sagte Altmüller.
Pia hatte schweigend zugehört. Die vielen Informationen, die sie von Altmüller bekommen hatten, flatterten wie Puzzlestücke in ihrem Kopf herum und versuchten, sich an die passenden Stellen in das noch ziemlich unvollständige Bild einzufügen. Statt hilfreiche Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, hatten sich Dutzende neuer Fragen ergeben. Hatte Hanna Herzmann wirklich über die Road Kings recherchiert, wie sie bisher angenommen hatten? Wie war der Kontakt zu Rothemund und Prinzler zustande gekommen? Und wie passte Leonie Verges in die ganze Geschichte?
»Wann war die Sache mit dem erschossenen V-Mann?«, fragte Pia.
Ihr Unterbewusstsein sendete ihr Signale, die sie nicht deuten, nicht greifen konnte, das machte sie schier verrückt.
»Das liegt schon ein paar schöne Jahre zurück«, erwiderte Altmüller. »Ich glaube, das war 1998. Oder 1997? Prinzler war aber noch aktiv, das weiß ich genau, denn Rothemund hat ihn damals erfolgreich aus der ganzen Sache rausgehauen. Und tatsächlich kam heraus, dass kein Road King den V-Mann und zwei von den Kings erschossen hatte, sondern einer von unseren Jungs.«
»Erik Lessing«, sagte Pia.
Lutz Altmüller, der gerade die Hand gehoben hatte, um dem Kellner zu winken, erstarrte und wurde unter seiner Bluthochdruckröte blass.
»Woher kennen Sie den Namen?« Seine Antwort war mehr als aufschlussreich. Pias Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Erik Lessing. Kathrin. Behnke. Dr. Nicola Engel. Kilian Rothemund. Die alte Sache in Frankfurt, weswegen die Engel und Behnke sich nicht hatten leiden können. Wieso hatte Behnke sich immer so viel erlauben dürfen? Warum hatte man ihn trotz schlimmster Verfehlungen nie aus dem Polizeidienst entfernt, ihn sogar noch in die interne Revision im LKA gesetzt? Hielt jemand an höherer Stelle seine schützende Hand über ihn? Und wenn ja, warum?
»War das auch eine Panne der Staatsanwaltschaft?«, fragte sie, statt Altmüller zu antworten. »Kann es sein, dass es da einen Zusammenhang mit
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