Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Keine blasse Ahnung.« Frank drehte sich um und ging in die Miniküche. Er ergriff eine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit und schenkte sich ein Wasserglas fast randvoll.
»Wer sind ›die‹?«, fragte Pia.
Frank starrte sie an, dann führte er das Glas zum Mund und trank es in einem Zug aus. Sein Blick irrte durch den kleinen Raum. Plötzlich, und mit einer Wut, die Pia erschreckte, schmetterte er das Glas gegen die Wand, doch es zerbrach nicht.
»Da! Schaut euch das an!« Frank lachte bitter. »Ich krieg nichts mehr hin! Nicht mal ein Glas krieg ich mehr kaputt, verdammte Scheiße!«
Er war weitaus betrunkener, als Pia angenommen hatte. Bei dem Versuch, das Glas aufzuheben, verlor er das Gleichgewicht und stürzte gegen ein Regal, das krachend zusammenbrach. Lachend wälzte er sich auf dem Boden, doch sein Lachen ging in ein verzweifeltes Schluchzen über. Aus dem durchtrainierten Sportfanatiker, der nur Bioprodukte aß und nie eine Zigarette angerührt hätte, war ein Säufer geworden. Das, was im März 1997 in Frankfurt passiert war, hatte ihn zerstört, weil er es nie verarbeitet hatte. Seine Ehe war zerbrochen, sein Leben ein einziger Trümmerhaufen.
»Nichts kann ich mehr!«, stieß er hervor und schlug mit der Faust auf den Boden. »Nichts! Ich bin am Ende, weil ich selbst ein beschissenes Nichts bin!«
Pia und Christian wechselten einen besorgten Blick.
»Frank, komm, steh auf!« Christian beugte sich über ihn und hielt ihm die Hand hin.
»Nicht mal ’ne Frau krieg ich mehr ab«, brabbelte Frank weiter. »Was will eine auch mit einem wie mir? Meine Kohle kassiert meine Ex-Alte, mir bleibt grad noch genug für dieses verkackte Loch hier!«
Die letzten Worte hatte er herausgeschrien. Er richtete sich auf, übersah Christians ausgestreckte Hand und kam ohne Hilfe auf die Beine.
»Ich sag dir was«, sagte er zu Pia und blies ihr seinen Schnapsatem ins Gesicht. »Ich konnte dich vom ersten Tag an nicht leiden. Die Frau vom reichen Doktor Kirchhoff, die mit ihren Aktienmillionen mal schnell einen Bauernhof gekauft hat und allen Kerlen mit ihren dicken Möpsen den Kopf verdreht hat! Pah! Du warst so beschissen … tüchtig und so … so gottverdammt schlau, konntest gar nicht genug kriegen von der Arbeit! Gegen dich ham wir alle wie faule Schweine ausgesehen! Hast dich beim Alten eingeschleimt, wo du konntest!«
Der Alkohol ließ seine Aussprache undeutlich werden. Lang aufgestauter Hass fand ein Ventil, und Pia ließ die Beleidigungen über sich ergehen, ohne etwas zu erwidern.
»Ja, ich hab drei Leute erschossen! Ich hab nicht gewusst, was da los war. Ich wusste auch nichts von einem V-Mann. Wir sind in den Laden rein, weil irgendein Informant denen gesteckt hat, dass da ’ne große Sache läuft. Vielleicht hätte ich was ahnen sollen, weil sie mir vorher ’ne andere Waffe untergejubelt hatten. Das war alles abgekartet. Als wir in den Hof kommen, hat einer von den Rockern sofort geschossen. Hätte ich mich abknallen lassen sollen? Ich hab auch geschossen, und ich hab besser getroffen als die Penner. Zweimal Kopfschuss, den dritten hab ich in den Hals getroffen. Das war ’ne Riesensauerei. Bevor ich überhaupt irgendwas kapiert habe, saß ich in ’nem Auto. Und das war’s. Mehr weiß ich nicht.«
Pia glaubte ihm. Man hatte nicht nur dem V-Mann Erik Lessing eine Falle gestellt, sondern auch Behnke. Er war das Bauernopfer in einem schmutzigen Spiel mächtiger Männer, für die ein Menschenleben keinen Wert hatte.
»Wer war mit dir im Hof?«, fragte Christian.
Frank Behnke schnaubte. Er taumelte an Pia vorbei und ließ sich auf die Couch sacken. Sie blickte auf ihn hinunter. Trotz allem, was er zu ihr gesagt hatte, empfand sie keinen Zorn, sondern nur tiefes Mitleid.
»Ihr wollt wissen, wer mit mir im Hof war?«, lallte er mit halbgeschlossenen Augen. »Ja? Wollt ihr wissen, wer zu mir gesagt hat: ›Mist, meine Dienstwaffe ist im Auto‹? Ich sag’s euch. Ja, ich sag’s euch. Weil’s mir scheißegal ist. Schön reingelegt hat sie mich, diese eiskalte Nutte! Und danach hat sie mir gedroht. Wenn ich jemals ein Wort darüber sage, dann würd ich meines Lebens nicht mehr froh werden!«
Er gab ein Geräusch von sich, eine Mischung zwischen Lachen und Schluchzen und schlug mit der flachen Hand auf die Lehne der Couch. »Ich bin eh nie mehr froh geworden, danach. In dreißig Sekunden war mein ganzes Leben im Arsch. Ich hab einen Kollegen erschossen! Und wisst ihr, warum? Weil’s
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