Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
würden, er würde es überleben, denn er wollte seine Kinder wiedersehen. Und Hanna.
*
»Schmeckt es dir nicht?«
Christoph saß ihr gegenüber am Küchentisch und sah zu, wie sie das Essen auf dem Teller hin und her schob. Die Ratatouille mit Reis war köstlich, aber Pias Magen war wie zugeschnürt.
»Doch, schon. Aber ich habe irgendwie keinen richtigen Appetit.« Pia legte das Besteck hin und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Der Besuch bei Frank Behnke hatte ihr einen Schock versetzt, von dem sie sich noch nicht erholt hatte, und sie wusste, dass sie das, was sie eben erlebt hatte, nie mehr ganz loslassen würde. Frank und sie waren keine Freunde gewesen; er hatte sich während ihrer gemeinsamen Zeit beim K11 in Hofheim unkollegial und miesepetrig verhalten, hatte ihr und den Kollegen den Großteil der Arbeit überlassen und jeden beleidigt und vor den Kopf gestoßen, der versucht hatte, nett zu ihm zu sein. Wie jeder andere auch war sie nach einer Weile davon ausgegangen, dass er eben ein Arschloch war. Umso schlimmer war nun die Erkenntnis, wie sehr sie ihm Unrecht getan hatte, denn im Grunde genommen war er ein Opfer. Man hatte ihn benutzt und fallengelassen, seine Psyche und sein Gewissen und damit sein ganzes Leben ruiniert. Obwohl Frank sie wie so oft beschimpft und beleidigt hatte, hatte das Wissen um diese menschliche Tragödie, die sich über Jahre hinweg quasi vor ihren Augen abgespielt hatte, ein sonderbares Gefühl der Trauer in ihr hinterlassen.
»Willst du darüber reden?«, fragte Christoph. In seinen dunklen Augen lag ein besorgter Ausdruck. Er kannte sie lange und gut genug, um einschätzen zu können, ob sie nur in Gedanken versunken war und nach einem anstrengenden Tag ein wenig Ruhe brauchte oder ob sie die Ereignisse seelisch wirklich mitnahmen. Mangelnder Appetit war Anlass zu ernster Sorge, denn Pia konnte in beinahe jeder Lebenslage essen.
»Im Augenblick nicht.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und massierte mit Daumen und Zeigefinger ihre Nasenwurzel. »Ich wüsste gar nicht, wo ich überhaupt anfangen soll. Herrgott, ist das alles ein Schlamassel.«
Die ganze Tragweite dessen, was sie vorhin in dieser deprimierenden Wohnung erfahren hatten, hatte sie indes noch längst nicht erfasst, dessen war sie sich bewusst. Christian und sie hatten vereinbart, vorerst mit niemandem über das, was Frank ihnen gesagt hatte, zu sprechen, aber ihnen war klar, dass sie irgendetwas unternehmen mussten, jetzt, wo sie wussten, was damals geschehen war.
Christoph sagte nichts, drängte nicht. Das tat er nie. Er stand auf, legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter und begann dann, den Tisch abzuräumen.
»Lass nur, ich mach das schon«, gähnte Pia, aber er grinste nur.
»Weißt du was, Süße«, schlug er vor, »am besten, du gehst jetzt unter die Dusche und dann trinken wir noch zusammen ein Glas Wein.«
»Gute Idee.« Pia grinste schief. Sie erhob sich, ging zu ihm hin und schlang ihre Arme um seine Mitte.
»Womit habe ich dich bloß verdient?«, murmelte sie. »Es tut mir leid, dass ich mich in letzter Zeit gar nicht um dich und Lilly gekümmert habe. Ich hab dich echt im Stich gelassen.«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, küsste sie sanft auf den Mund.
»Das stimmt allerdings. Ich fühle mich total vernachlässigt.«
»Kann ich etwas tun, um das wiedergutzumachen?« Pia erwiderte seinen Kuss und ließ ihre Hände über seinen Rücken gleiten. Seitdem Lilly da war, hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen. Das lag weniger an dem Mädchen als daran, dass sie seit Tagen spät nach Hause kam und morgens in aller Frühe aus dem Bett springen und davonrasen musste.
»Da würde mir schon etwas einfallen«, flüsterte Christoph an ihrem Ohr und zog sie fester in seine Arme. Sie spürte sein Verlangen. Der Duft seiner Haut, die Berührung seiner Hände, sein warmer schlanker Körper so eng an ihrem entzündete einen Funken der Lust tief in ihrem Innern.
»Denkst du vielleicht an dasselbe wie ich?« Pia schmiegte ihre Wange an seine. Ihre heimliche Befürchtung, die Alltagsroutine könne dem physischen Teil ihrer Beziehung schaden, war auch nach dreieinhalb Jahren unbegründet. Eher das Gegenteil war eingetreten.
»Woran denkst du denn?«, fragte Christoph mit einem neckenden Unterton.
»An … Sex«, erwiderte Pia.
»Na so was.« Er küsste ihren Hals, dann ihren Mund. »Genau daran dachte ich auch.«
Sie lösten sich voneinander. Pia ging nach oben ins Badezimmer. Sie zog
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