Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
auf ihn ein, er konnte sich nicht wehren. Es knallte wie ein Gewehrschuss in seinem Kopf, als sein Jochbein brach, seine Haut platzte auf, Blut rann über sein Kinn, vermischte sich mit den Tränen, die er nicht zurückhalten konnte.
»Willst du, dass dasselbe mit deiner Tochter passiert?«, zischte eine Stimme dicht an seinem Ohr. »Ja, willst du das? Hier, guck, das ist sie doch, deine unschuldige kleine Tochter, oder?«
Kilian öffnete die Augen. Der Film war von schlechter Qualität, wahrscheinlich mit einer versteckten Kamera gefilmt, aber es war eindeutig Chiara, die vor dem Tor des Hockeyclubs stand und sich mit einem jungen Mann unterhielt, der der Kamera den Rücken zugewandt hatte. Sie lachte kokett, ihr langes blondes Haar fiel über ihre nackten Schultern, als sie zu dem Mann aufblickte. Er rang nach Luft. Sein Hals war wie zugeschnürt, seine Nase verstopft von Blut und Tränen. Die Angst kroch eisig durch jede Ader seines Körpers.
»Eine wirklich süße Maus, die kleine Chiara. Hübsche kleine Titten und ein knackiger Po«, sagte die Stimme hinter ihm. »Ein Filmchen mit ihr in der Hauptrolle wird sicher ein Riesenerfolg.«
Gelächter.
»Wenn du nicht bald dein Maul aufmachst, wird die Kleine spätestens heute Mittag dasselbe erleben wie diese Fernsehtante.«
Kilian brach zusammen. Jeden Schmerz hätte er ausgehalten, jede Qual und jede Folter, aber die Vorstellung, dass diese Menschen mit seiner Tochter dasselbe tun könnten, was sie Hanna angetan hatten, war schier unerträglich. Er öffnete den Mund und begann zu reden.
*
»Komm, Lomax!«
Sie öffnete die Haustür. Der Hund sprang wie ein geölter Blitz aus seinem Korb und schoss an ihr vorbei ins Freie. Sie überquerte den Hof und schlug den Weg durch den Garten ein, wie jeden Morgen. In den Bäumen sangen die Vögel, Tautröpfchen glitzerten im Schein der aufgehenden Sonne im Gras. Der gestromte Staffordshire-Rüde tobte über die Rasenflächen, pinkelte an jeden zweiten Rosenbusch und scharrte jedes Mal danach knurrend mit den Hinterbeinen. Er war der König auf dem Hof, der Chef. Die anderen Hunde respektierten ihn widerspruchslos. So, wie alle Männer Bernd respektieren, dachte Michaela. Seit vorgestern hatte sie nichts von ihrem Mann gehört. Früher war das öfter vorgekommen, aber seit vielen Jahren hatte er nichts mehr mit den Bullen zu tun. Auch wenn sie nicht alleine auf dem großen Anwesen war und keine Angst vor Einbrechern haben musste, so ängstigte sie seine Abwesenheit. Seit gestern waren auch die Kinder weg, zehn Tage Ferienfreizeit an der Ostsee mit dem Sportverein. Das war auch das Beste, nachdem die Bullen vor allen Dingen dem Jüngsten mit ihrer bescheuerten Aktion einen Riesenschrecken eingejagt hatten. Ihn nicht mit seinen Freunden und Teamkollegen fahren zu lassen wäre ein falsches Signal gewesen.
Trotzdem vermisste Michaela die beiden. Im Haus war es still ohne Bernd und die Kids. Natascha leistete ihr zwar gerne Gesellschaft, aber sie war längst nicht so redselig wie Ludmilla, die vorher ihr Au-pair-Mädchen gewesen war. Michaela beendete die große Runde vorne an der Werkstatt. Drei der Jungs waren schon da.
»Moin, Moin«, grüßte Freddy, der Werkstattmeister. »Willst ’n Kaffee, Chefin?«
»Morgen. Ja, gerne«, erwiderte Michaela. Sie setzte sich auf die Holzbank vor der Scheune und lehnte sich gegen das Holz, das schon warm von der Sonne war. Lomax ließ sich mit einem Seufzer neben ihren Füßen nieder und legte die Schnauze auf die Vorderpfoten. Freddy brachte nur Sekunden später einen Pott mit dampfendem Kaffee.
»Schuss Milch, zwei Stück Zucker«, sagte er und grinste. »Sonst alles o.k.? Was vom Chef gehört?«
»Nein, leider nicht.« Michaela nickte dankend und nippte an dem Kaffee. »Aber sonst ist alles gut.«
Die Jungs waren immer so fürsorglich. Manchmal wurde es ihr beinahe zu viel, weil sie ihr alles abnehmen wollten, sogar das Einkaufen. Sie angelte nach der Bild -Zeitung, die einer der Männer mitgebracht und auf dem Tisch liegengelassen hatte. Michaela las nur selten die Zeitung. Sie interessierte sich nicht sonderlich für das, was in der Welt vor sich ging, Katastrophen, Krieg und Krisen deprimierten sie. Bücher waren ihr lieber. Lomax ließ sich mit einem zufriedenen Knurren auf die Seite sinken und genoss die Wärme der Sonne.
Plötzlich zuckte Michaela zusammen. Das Foto eines Mannes sprang sie an, sie musste schlucken. Bevor sie es verhindern konnte, hatten ihre Augen
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