sich zu sagen und schaltete ihren Computer ein. Warum reagierte sie bloß so empfindlich?
Sie gab ihr Passwort ein und checkte ihre Mails. Nichts Besonderes. Der Polizeiserver hatte den Vorteil, dass lästige Spam- und Werbemails von vorneherein aussortiert wurden. Gerade als sie das Mailprogramm verlassen wollte, poppte eine neue Nachricht mit dem Betreff »Lilly« auf. Der Absender war ihr unbekannt. Sie klickte auf die Mail, die einen Anhang hatte.
Immer wieder verschwinden kleine Mädchen und werden nie wieder gefunden. Wäre doch schade um das süße kleine Ding, nur weil ihre Mama die Nase in Dinge steckt, die sie nichts angehen.
Angehängt war ein Foto, das Lilly und sie zusammen mit den Hunden an einer der Koppeln auf dem Birkenhof zeigte. Es war etwas unscharf, so, als sei es aus weiter Entfernung aufgenommen worden. Pia starrte ein paar Sekunden begriffsstutzig auf die Zeilen. Erst ganz allmählich dämmerte ihr, was diese E-Mail zu bedeuten hatte, und sie bekam eine Gänsehaut. Das war eine unmissverständliche Drohung! Man hielt Lilly für ihre Tochter und drohte damit, ihr etwas anzutun, falls Pia nicht damit aufhörte … Ja, womit sollte sie aufhören? In welche Dinge hatte sie ihre Nase gesteckt?
»Jetzt sei nicht eingeschnappt, nur weil ich dir ein Kompliment gemacht habe«, sagte Kai. »Du hast einfach wirklich eine tolle …«
»Komm doch mal bitte und schau dir das an«, unterbrach Pia ihren Kollegen.
»Was ist denn?« Er kam zu ihr hinüber. »Du bist ja ganz blass geworden.«
»Hier, schau!« Pia rollte ein Stück mit dem Stuhl zurück, griff nach ihrer Handtasche und wühlte das Handy hervor. Ihr war ganz flau im Magen, und ihre Hände zitterten wie verrückt. Sie musste auf der Stelle Christoph anrufen und ihn warnen! Er durfte Lilly keine Millisekunde aus den Augen lassen!
»Das ist eine ernstzunehmende Drohung«, befand auch Kai und runzelte besorgt die Stirn. »
[email protected] – ganz klar eine Fake-Adresse. Das muss sich der Chef anschauen.«
Wenig später standen Bodenstein, Christian, Cem und Kathrin mit ernsten Mienen um Pias Schreibtisch herum. Pia hatte mit Christoph telefoniert, der den Ernst der Lage sofort begriffen und ihr versichert hatte, er werde auf Lilly aufpassen und ihr einschärfen, immer in seiner Nähe zu bleiben.
»Du musst irgendwem mächtig auf die Füße getreten sein«, sagte Cem gerade.
»Ja, aber wem denn?« Pia war noch immer fassungslos. Jemand wusste, wo sie wohnte, und hatte Lilly und sie fotografiert! Die Vorstellung, dass jemand um ihr Haus schlich, weckte längst vergessen geglaubte Ängste in ihrem tiefsten Innern. »Ich versteh das nicht! Wir wissen doch überhaupt nichts!«
»Offenbar schon«, meinte Bodenstein und musterte sie eindringlich. »Denk nach! Mit wem hast du worüber gesprochen?«
Pia schluckte. Sollte sie ihren Kollegen verraten, dass sie gestern mit Behnke über Erik Lessing gesprochen hatte? Kam die Drohung aus dieser Ecke? Steckte vielleicht Frank dahinter? Ihr Blick begegnete dem von Christian, der fast unmerklich den Kopf schüttelte.
Es klopfte an der Tür. Eine Beamtin von der Wache teilte ihnen mit, dass die Männer, die für die Gegenüberstellung ausgewählt waren, unten warteten.
»Wir kommen sofort«, sagte Bodenstein. »Du kannst nicht mehr tun, als du getan hast, Pia. Kai soll die Kollegen in Königstein informieren, dann muss Christoph sich dort nur melden, wenn er etwas Verdächtiges bemerkt.«
Pia nickte. Das beruhigte sie zwar nicht im Geringsten, aber ihr Chef hatte recht. Für den Moment konnte sie nicht mehr tun.
*
Der Wettergott zeigte sich gnädig und bescherte ihrem Schwiegervater zu seinem achtzigsten Geburtstag einen kobaltblauen Himmel, durchsetzt mit watteweißen Schäfchenwolken. Dem Empfang und der Party im Freien stand nichts im Wege. Emma blickte aus dem Badezimmerfenster hinunter in den Garten, während sie sich die Haare föhnte. Helmut Grasser und seine fleißigen Helfer hatten bereits gestern ein Rednerpult, Stühle, Stehtische und eine kleine Bühne für die verschiedenen Vorführungen aufgebaut, heute Morgen hatten sie die Beschallungsanlage installiert und den Soundcheck gemacht. Unten herrschte hektische Betriebsamkeit. Die Jazzband, die Josef von Nicky, Sarah, Ralf und Corinna als Geburtstagsgeschenk bekommen hatte, spielte sich bereits seit einer Stunde warm, der Sonnenkinder -Chor hatte auch zwischendurch geprobt und vor diesem musikalischen Hintergrund hatte Emma einen