Böses Blut
massenweise ehrgeizige zweiunddreißigjährige Offiziere dürften ihm als nicht allzu gewissenhafte Stellvertreter zur Verfügung stehen. Aus irgendeinem Grund hatte Balls jetzt das Gefühl, daß es Zeit war, das FBI abzuschütteln; vielleicht ging ihm langsam Larners Beharrlichkeit auf die Nerven. Und was tut man da, um das FBI auf die sicherste Art und Weise außer Gefecht zu setzen? Man verläßt das Land. Das FBI ist nicht der CIA, das Betätigungsfeld des FBI ist sehr klar abgesteckt: innerhalb der Grenzen der USA. Wenn man also sorgfältig ein Land auswählt, in dem die Mittel der Polizei knapp bemessen sind, die Prioritäten nicht begreifbar, die Chefposten auf merkwürdige Weise besetzt und wo es kurz gesagt wahrscheinlich ist, daß die Polizei schlampt, wenn man danach einen Bürger dieses Landes ermordet, sein Rückflugticket klaut und dafür sorgt, daß der Stellvertreter anzudeuten vermag, daß man in besagtem Land angekommen ist, dann kommt das FBI zu dem Schluß, daß man ihm durch die Lappen gegangen ist. Genau wie Paul und Kerstin bin ich der Meinung, daß die etwas kuriose Flugplatzsequenz eine Mitteilung enthalten kann, doch eher, daß diese sich an das FBI richtet statt an Schweden, und der gesamte Schwedenteil dieses Falles kann sehr wohl ein Bluff sein. Ich bezweifle, daß er hier ist. Sein Stellvertreter kam her, tauschte den Paß aus und flog zurück, ohne Arlanda verlassen zu haben, und zu Hause wartete ein pensionierter, aber alles andere als machtloser General, der dafür sorgte, daß man ein Stück auf der Karriereleiter kletterte.«
Die A–Gruppe sah erschöpft aus. Das Risiko eines Ausfalls war offensichtlich. So viele Hypothesen waren während der letzten Stunde durch die Luft gewirbelt, daß sie umgehend ausgetauscht werden mußte.
Viggo Norlander, der einzige, der die ganze Zeit schweigend dagesessen hatte, in einem mentalen Narrengewand nach seinem eigenen kleinen Flugplatzauftritt, durfte zusammenfassen: »Wir treten mit anderen Worten auf der Stelle.«
»Genau«, sagte Hultin gutmütig.
9
Der Tag verging.
Der Tag darauf verging.
Noch eine Reihe von Tagen verging.
Nichts geschah. Nicht einmal die Presse schaltete die Schlagzeilensirenen ein. Die Gruppe konnte ungestört in aller Ruhe agieren, was auf eine Weise die Untätigkeit noch frustrierender machte. Es gab ganz einfach nichts zu tun. Nicht einmal hartnäckige Reporter waren zu verscheuchen, was immerhin eine Art bittersüße Genugtuung beinhaltet hätte.
Die polizeilich gemeldeten Todesfälle tröpfelten herein, desgleichen alle Fälle, in denen Amerikaner krimineller Handlungen verdächtigt wurden. Nichts davon wirkte besonders vielversprechend. Wenn der Kentuckymörder sich nicht abrupt an schwedische Verhältnisse angepaßt und angefangen hatte, heimlich Senildemente abzumurksen, womit gerade jemand in einem Pflegeheim in Sandviken angefangen zu haben schien, dann verhielt er sich ruhig. Oder wenn er nicht zwölf Jahre alt war und eine Schwangere zu Boden getreten hatte, so daß ihre gebrochenen Rippen auf offener Straße den Embryo ausstießen, in einem tragbaren Reisekleiderschrank einen Sexualmord an einer zweiundsechzigjährigen Prostituierten beging, ein Einjähriges ins Gefrierfach steckte, sich mit Nasenspray das Leben nahm, Schwefelsäure mit Selbstgebranntem verwechselte oder den Nachbarn mit einer so ausgefallenen Tatwaffe wie einer frisch geschliffenen Harke angriff. Offiziell war Nyberg zuständig für die skurrileren Todesfälle, inoffiziell waren sie ihnen allesamt vollkommen egal. Nyberg hielt sich lieber an die Unterwelt, wo er ganz ungestört kleine Gauner der alten Garde terrorisieren konnte.
Das Verhältnis zur eventuellen Kriminalität auf Besuch weilender Amerikaner war in etwa das gleiche. Hier hielt Norlander die nicht existenten Fäden in der Hand; er fand, daß es ungewöhnlich lange dauerte, bis die mentale Narrenkappe sich abnutzte. Ein Mann, der unklug genug war, sich Reynold Edwins zu nennen, zog Norlanders Aufmerksamkeit auf sich, eher aufgrund seines Namens als wegen seiner Aktivität, die darin bestand, in Grundschulen in Malmö herumzugehen und Mädchen für Pornofilme aufzureißen. Drei amerikanische Geschäftsleute kauften sexuelle Dienste in einem Pornoklub in Göteborg und bestanden entschieden darauf, nicht illegal gehandelt zu haben. Ein nicht identifizierter Amerikaner hatte an einem Mister–Minit–Stand auf Gärdet einen Schlüssel illegal nachfertigen lassen; der
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