Böses Herz: Thriller (German Edition)
erzählt.«
»Du hast noch nie ein Opfer am Leben gelassen. Warum jetzt? Warum bist du plötzlich weich geworden?«
»Bin ich nicht. Aber ich bin auch nicht verrückt geworden. Es wäre zu riskant, Wallace umzubringen, weil ich nicht unbemerkt aus dem Haus schleichen kann. Sobald ich eine Tür öffne, ist hier die Hölle los. Und wenn mich die Bullen erwischen sollten, dann lieber nicht neben einem Toten.«
»Du weigerst dich, mir zu beschaffen, worum ich dich gebeten habe?«
»Weil es sich nicht beschaffen lässt. Es wäre sinnlos, einen Mann wegen einer Information zu töten, die er nicht besitzt.«
Am anderen Ende blieb es lange still, dann war ein kurzes Durchschnaufen zu hören. »Damit hast du mich in einer Woche gleich zweimal enttäuscht, Diego.« Die Stimme klang so seidig, dass Diego eine Gänsehaut überlief.
Jeder, der den Bookkeeper kannte, wusste, was Leuten widerfuhr, die einen Auftrag nicht ausführen wollten oder konnten. Diego hatte keine Angst, dass man ihn einfach beseitigen könnte. Er war zu talentiert, als dass man auf ihn verzichten konnte. Nein, es gäbe andere Möglichkeiten, ihn zu bestrafen, andere Opfer, die …
Plötzlich zerschmetterte ihn die Erkenntnis wie eine Wagenladung Backsteine. Damit hast du mich gleich zweimal enttäuscht.
Diegos Magen sackte ins Bodenlose. Er glaubte, sich übergeben zu müssen. Ohne auch nur einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden, beendete er das Gespräch und riss die Tür zum Garten auf. Die Alarmglocken schrillten los. Der Lärm war ohrenbetäubend, trotzdem nahm Diego ihn kaum wahr. In seinem Kopf gellte die Angst vor etwas viel Schlimmerem als dem Gefängnis.
Er sprintete über die Terrasse und den Rasen. Als er an der Mauer angekommen war, bekam er schon keine Luft mehr, aber er gönnte sich keine Pause. Stattdessen hangelte er sich an den belaubten Ranken nach oben. Sobald er die Mauerkrone erklommen hatte, wälzte er sich auf die andere Seite und sprang. Unter Schmerzen landete er vier Meter tiefer auf dem harten Beton. Seine Knie konnten den Aufprall nicht abfedern und schmerzten höllisch, aber das hielt ihn nicht auf. Ohne auf das Heulen der näherkommenden Sirenen zu achten, rannte er auf direktem Weg zu seinem gestohlenen Auto, auch wenn das bedeutete, dass er über freies Gelände laufen musste und sich nicht im Schatten halten konnte.
Niemand hielt ihn auf. Als er den Wagen erreicht hatte, war er schweißnass und zitterte so unkontrollierbar, dass er kaum den Motor anlassen konnte. Ohne darauf zu achten, ob jemand auf ihn aufmerksam wurde, lenkte er das Auto mit quietschenden Reifen vom Bordstein weg.
Er beugte sich über das Lenkrad und umklammerte es so fest, dass seine Knöchel vor Angst und Wut weiß leuchteten. Nachdem man ihm nie zu beten beigebracht hatte und er keinen Gott kannte, flehte er stattdessen alle namenlosen Mächte an, die ihm womöglich gerade zuhörten.
Gegen seine eigene eherne Regel fuhr er direkt zu seinem Unterschlupf. Die Reifen qualmten, als er den Wagen quietschend zum Halten brachte. Er stürmte los, ohne erst den Motor abzustellen oder auch nur die Tür zuzuschlagen.
Das Schloss der Außentür war mit einem Schneidbrenner herausgeschnitten worden, und die Tür stand offen. Diego stürmte durch die Dunkelheit. Er raste durch die muffigen Gänge und stolperte blindlings die Treppe hinab.
Als er unten angekommen war und die offene Tür zu seinem Versteck sah, blieb er entsetzt stehen. Außer seinem rasselnden Atem war kein Laut zu hören. Der Schmerz in seiner Brust brachte ihn beinahe um. Fast hoffte er, er würde sterben, er würde unwissend bleiben.
Aber er musste es wissen.
Er zwang sich, auf den hellen Durchgang zuzugehen und in jenen Raum zu treten, der so lange sein sicherer Hafen gewesen war. Bis heute Abend.
Isobel lag auf dem Bett. Sie war nackt ausgezogen und in einer obszönen Position ausgelegt worden. Ihr Gesicht war verunstaltet. Ihre Arme und Beine waren mit blauen Flecken und Kratzern übersät. Er sah Bissspuren, die so tief waren, dass sie die goldene Haut durchbohrt hatten. Er sah getrocknetes Sperma. Und Blut.
Der Bookkeeper hatte dafür gesorgt, dass er den ganzen Tag unterwegs war, damit seine Handlanger Isobel in aller Ruhe terrorisieren, foltern und ermorden konnten, um Diego eine gnadenlose Lektion in blindem Gehorsam zu erteilen.
Nur ihr unendlich schönes, seidig schwarzes Haar hatte die Attacke überlebt. Und dieses Haar streichelte Diego, als er an ihrem
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