Böses Herz: Thriller (German Edition)
gewesen, als Diego gedacht hatte. Die Alarmanlage war ausgeschaltet gewesen, er musste also nicht einmal in aller Eile zuschlagen und sofort wieder türmen, bevor die Bullen auftauchten. Stattdessen hatte er sich ins Haus schleichen und sich damit vertraut machen können, bevor Wallace auch nur geahnt hatte, dass er da war.
Er hatte schon geglaubt, alles bedacht zu haben, bis ihm aufgegangen war, dass Wallace vorn im Haus im Arbeitszimmer saß, wo er ihn gestern Abend beobachtet hatte und wo ihn jeder sehen konnte, der zufällig auf der Straße vorbeikam.
Der Fernseher hatte seine Schritte übertönt, als er die geschwungene Treppe hinaufgeschlichen war. Im Obergeschoss gab es einen langen Flur mit diversen Schlafzimmern, aber schon bald hatte Diego das gefunden, das dem Hausherrn gehörte. Über der Rückenlehne eines Sessels hing der graue Nadelstreifenanzug, den Wallace tagsüber in der Bank angehabt hatte. Die dazu passenden Schuhe standen auf dem Teppich, die Krawatte lag am Fußende des riesigen Bettes.
Diego hatte sich im begehbaren Kleiderschrank eingenistet. Anderthalb Stunden waren verstrichen, bevor Wallace nach oben gekommen war.
In seinem Schrank hatte Diego das Piepsen der einzelnen Töne gehört, als Wallace an der Alarmanlage den Code für die Nacht eingegeben hatte. Was natürlich ein Problem darstellte. Es bedeutete, dass Diego den Alarm auslösen würde, wenn er das Haus verließ. Allerdings konnte er sich darüber immer noch den Kopf zerbrechen, wenn es so weit war. Erst musste er überlegen, wie er einen Mann überwältigen konnte, der doppelt so schwer war wie er selbst.
Wallace hatte es ihm leicht gemacht. Gleich nachdem er im Schlafzimmer aufgetaucht war, war er im anschließenden Bad verschwunden und hatte seine Hose geöffnet. Und mit beiden Händen gezielt.
Diego hatte sich von hinten angeschlichen, eine Hand auf Wallaces Stirn gepresst und sie nach hinten gerissen, während er gleichzeitig das Rasiermesser an die nackte Kehle des Bankers gelegt hatte. Wallace hatte aufgeschrien, allerdings eher vor Schreck als aus Angst. Instinktiv hatte er mit beiden Händen nach hinten gefasst und versucht, sich im Griff seines Angreifers umzudrehen und ihn abzuschütteln. Der Urin war quer über die Wand hinter der Kommode gespritzt.
Diego hatte das Rasiermesser über Wallaces Handrücken gezogen, um ihm zu demonstrieren, dass er keinen Spaß verstand. »Wenn du dich wehrst, schlitz ich dir die Kehle auf.«
Wallace hörte zu kämpfen auf. Schwer atmend fragte er: »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Geld? Meine Kreditkarten? Die können Sie haben. Ich habe Sie nicht gesehen. Ich kann Sie nicht identifizieren. Also nehmen Sie sich einfach, was Sie haben wollen, und verschwinden Sie.«
»Ich will deine kleine Schlampe.«
»Wie bitte?«
»Deine kleine Schlampe. Tori. Wo ist sie?«
Damit hatte Wallace nicht gerechnet. Diego konnte fast spüren, wie die Gedanken durch den Kopf rasten, den er fest gegen seine Brust gepresst hielt.
»Sie … sie ist nicht hier.«
»Das weiß ich selbst, Arschgesicht. Was glaubst du, warum ich dir ein Rasiermesser an die Kehle halte? Ich will wissen, wo sie ist.«
»Warum?«
Blitzschnell war Diegos Hand nach oben geschossen und hatte die Wange des Bankers aufgeschlitzt.
»Jesus!«
»Ach, das tut mir aber leid. Hat das wehgetan?« Er hatte Wallace das Knie in die Beine gestoßen und ihn damit zum Einknicken gebracht, aber nicht in die Knie gezwungen. Der Mann war schwer, und es wurde mit jeder Sekunde anstrengender, ihn zu halten. »Auf die Knie.«
»Warum? Ich kooperiere doch. Ich wehre mich doch gar nicht.«
»Auf die Knie!«, hatte Diego mit zusammengepressten Zähnen befohlen.
Schließlich hatte Wallace gehorcht. Dieser Winkel war für Diego deutlich angenehmer. Er erleichterte ihm die Arbeit und bot ihm mehr Möglichkeiten. Außerdem kniete Wallace jetzt wie ein Bettler vor ihm, was Diego gut gefiel.
»Sag mir, wo Tori ist.«
»Ich weiß es nicht. Ich habe heute noch nichts von ihr gehört.«
Diego schnippte mit dem Rasiermesser, und die untere Hälfte von Wallaces Ohrläppchen fiel auf seine Schulter. Wieder schrie er auf.
»Das nächste Mal ist das ganze Ohr ab. Und dann will dich Tori bestimmt nicht mehr, du fetter Scheißhaufen. Dann kriegst du gar keine Möse mehr, weil du dann wie ein Freak aussehen wirst. Also, wo ist Tori?«
Normalerweise wirkte der Trick mit dem Ohr. Sobald das erste Ohrläppchen verlorengegangen war, bekam Diego meistens alles
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