Böses Herz: Thriller (German Edition)
einem butterblonden Lockenwirbel umgebener Kopf ruhte auf dem Kissen, das Gesicht hatte sie in ihrer Kuscheldecke vergraben und das Händchen fest um Elmo geschlossen.
Honor schlich in den Flur zurück und eilte durch das Wohnzimmer in die Küche. Alle Zimmer waren leer, dunkel und still. Dafür hingen ihre Schlüssel nicht mehr am Haken neben der Hintertür, und als sie aus dem Fenster sah, stellte sie fest, dass ihr Wagen nicht länger vor dem Haus stand.
Coburn war verschwunden.
Vielleicht hatte sie der startende Motor aus dem Schlaf gerissen. Aber so still und friedlich, wie das Haus wirkte, vermutete sie, dass er schon früher verschwunden war.
»Gott sei Dank, Gott sei Dank«, flüsterte sie und massierte ihre Oberarme. Die Gänsehaut darauf war der Beweis dafür, dass sie noch am Leben war. Sie hatte nicht geglaubt, dass er einfach verschwinden würde, ohne ihr und Emily etwas anzutun. Aber wie durch ein Wunder hatten sie beide einen unendlich langen Tag und eine ganze Nacht in der Gewalt eines Serienkillers überlebt.
Vor Erleichterung wurden ihr die Knie schwach.
Aber nur kurz. Sie musste der Polizei melden, was vorgefallen war. Dann würde man den Mann von hier aus verfolgen können. Sie musste anrufen und ihr Kennzeichen durchgeben. Sie …
Die Gedankenflut wurde abrupt durch eine bittere Erkenntnis abgeschnitten. Wie sollte sie jemanden anrufen? Coburn hatte ihr Handy eingesteckt, und einen Festnetzanschluss besaß sie nicht mehr. Stan hatte ihr auszureden versucht, ihr Telefon abzumelden, aber sie hatte ihm widersprochen, dass sie andernfalls monatlich für etwas bezahlte, das sie nicht mehr brauchte.
Jetzt bereute sie bitter, dass sie nicht auf ihn gehört hatte.
Eilig ging sie alle Zimmer ab und hielt nach ihrem Handy Ausschau. Aber wie nicht anders zu erwarten, war es nirgendwo zu sehen. Coburn war nicht so dumm, es zurückzulassen. Natürlich hatte er es eingesteckt, damit sie die Polizei nicht alarmieren konnte und er mehr Zeit bekam, um von hier zu fliehen.
Ohne Handy, Auto, Boot …
Boot.
Das hatte sie aus dem Schlaf gerissen! Nicht das Starten ihres Autos, sondern ein Bootsmotor im Leerlauf. Jetzt, wo sie hellwach war, erkannte sie den Unterschied, schließlich hatte sie seit frühester Kindheit mit Booten zu tun.
Sie lief zur Haustür, drehte hastig den Riegel zurück, eilte über die Veranda und stürmte so schnell die Stufen hinunter, dass sie viel zu fest auf dem Rasen davor aufprallte und vornüberkippte. Sie fing sich mit den Händen ab und rannte dann, über das taufeuchte Gras schlitternd, zum Wasser hinunter. Immerhin schaffte sie es, bis zum Steg nicht mehr hinzufallen.
Ihre Schritte hallten hohl auf den verwitterten Planken wider und schreckten am anderen Ufer einen Pelikan auf. Mit lautem Flügelklatschen erhob er sich in die Luft. Sie schirmte die Augen gegen die aufgehende Sonne ab und hielt links und rechts nach einem Boot Ausschau.
»Honor!«
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, dann fuhr sie in Richtung des Rufes herum. Fred Hawkins lenkte ein kleines Anglerboot unter dem Blätterdach einer Weide hervor.
»Fred! Gott sei Dank!«
Er gab kurz Gas und legte Sekunden später am Steg an. Honor freute sich so, ihn zu sehen, dass sie um ein Haar das Seil fallen gelassen hätte, das er ihr zuwarf. Sie ging in die Hocke und schlang es um einen Metallpoller.
Sobald Fred auch nur einen Fuß auf den Steg gesetzt hatte, warf sich Honor an seine Brust. Seine Arme schlossen sich um sie. »Mein Gott, Honor, was ist denn los?«
Sie drückte sich mit aller Kraft gegen seinen massigen Rumpf, ließ ihn kurz darauf los und trat einen Schritt zurück. Später war immer noch genug Zeit, ihm zu danken. »Er war hier. Der Kerl, den ihr sucht. Dieser Coburn.«
»Verfluchte Sch… Ich hatte vor einer halben Stunde so eine komische Vorahnung, als wir … Ist mit dir alles okay? Und mit Emily?«
»Es geht uns gut. Gut. Er … er hat uns nichts getan, aber er …« Sie stockte und holte tief Luft. »Er hat mein Auto genommen. Und das Handy. Darum bin ich an den Steg gelaufen. Ich dachte, ich hätte ein Boot gehört. Ich …«
»Bist du sicher, dass Coburn es gestohlen …«
»Ja, ja. Er tauchte gestern hier auf.«
»Er war die ganze Zeit hier?«
Sie nickte eifrig. »Den ganzen Tag. Und die ganze Nacht. Ich bin erst vor ein paar Minuten aufgewacht. Da war er schon weg. Ich habe keine Ahnung, wann er verschwunden ist.«
Ihr Brustkorb schmerzte, so tief musste sie Luft holen. Sie presste
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