Böses Herz: Thriller (German Edition)
alles in Ordnung?«
»Sie ist völlig aufgelöst. Und quatscht die ganze Zeit.«
»Was wollte Coburn bei ihr?«
»Er hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt.«
»Er wusste das mit Eddie?«
»Ich hatte schon ein ungutes Gefühl, als er in diesen Bayou gefahren ist, und ja, es sieht ganz danach aus.«
»Woher?«
»Keine Ahnung.«
»Was meint Honor dazu?«
»Sie sagt, er hätte was gesucht, was Eddie gehabt haben soll und wofür er gestorben sei.«
»Scheiße.«
»Du sprichst mir aus der Seele.«
Nach kurzem Überlegen hatte Doral leise gefragt: »Und was machst du jetzt?«
»Ihn verfolgen.«
»Ich meine mit Honor.«
Fred hatte laut und deutlich aus dem Handy geseufzt. »Ich habe keine Wahl. Als ich angerufen und erklärt habe, dass ich zu Eddie nach Hause fahren würde … Du kannst es dir vorstellen.«
Ja, Doral konnte es sich vorstellen. In ihrer Organisation machte man keine Gefangenen, und dabei tat es nichts zur Sache, ob es sich um einen alten Freund oder eine Frau und ein Kind handelte. Keine losen Enden. Keine Gnade.
Es hatte Fred fast das Herz gebrochen, aber er würde tun, was er tun musste, weil er wusste, dass es nicht anders ging. Und weil er wusste, was jedem drohte, der einen Befehl verweigerte.
Sie hatten ihren Anruf mit der unausgesprochenen Feststellung beendet, dass Fred die Sache klären würde, damit sie, wenn Doral in Gillettes Haus zu ihm stieß, dem Sheriffbüro von dem grässlichen Doppelmord an Honor und Emily berichten konnten.
Die Morde würden sie Coburn in die Schuhe schieben, der mit Sicherheit überall in Honors Haus seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Im Bad lagen verdreckte, blutfleckige Kleidungsstücke, die bestimmt ihm gehörten. Alle Polizeiorganisationen wären elektrisiert. Fred wusste genau, welche Reizwörter er einsetzen musste, damit die Presse auf die Story ansprang und sich festbiss. Bald würde der ganze Staat nach Lee Coburn jagen, dem einzigen Verdächtigen für das Massaker in der Lagerhalle, der nicht einmal vor dem Mord an einer Mutter und ihrem Kind zurückschreckte.
Es war ein brillanter Plan gewesen, der jetzt in Scherben lag.
Doral überließ sich kritische zehn Minuten seinem Zorn und seiner Trauer. Doch nachdem der Anfall überstanden war, wischte er sich Schleim und Tränen vom Gesicht, zwang sich, seine persönlichen Gefühle beiseitezuschieben, bis er sich ihnen ungestört hingeben konnte, und stattdessen die Situation zu analysieren. Die nur noch nervte. Und zwar gewaltig.
Am beunruhigendsten war, dass nur Freds Leichnam hier lag. Nirgendwo war etwas von Honor oder Emily oder ihren Überresten zu sehen. Falls sein Bruder die beiden tatsächlich beseitigt hatte, hatte er die Leichen ausgesprochen gut versteckt.
Oder – und das war ein wahrhaft besorgniserregendes Oder – Coburn hatte Fred ausgeknipst, bevor der Gelegenheit gehabt hatte, Honor und ihre Tochter auszuschalten. Falls das zutraf, wo steckten sie dann? Waren sie untergetaucht, bis jemand sie retten kam? Möglich. Aber das bedeutete, dass Doral sie umbringen musste, falls er sie fand, und bei diesem Gedanken wurde ihm mulmig.
Es gab noch eine dritte Möglichkeit, und die war die schlimmste von allen: Coburn und Honor waren gemeinsam entkommen.
Doral ließ sich das durch den Kopf gehen. Diese Möglichkeit zog eine ganze Kette von Problemen hinter sich her, ohne dass er gewusst hätte, was er dagegen unternehmen sollte. Er war ein Jäger, kein Detektiv und erst recht kein Stratege, außer wenn es darum ging, jemanden zu verfolgen. Außerdem konnte er nicht eigenständig entscheiden, was jetzt passieren sollte. Das war anderen vorbehalten.
Dorals Instruktionen lauteten, bei schlechten Nachrichten keine Zeit zu verschwenden. Er wählte die entsprechende Nummer und hörte schon beim ersten Läuten die vertraute Stimme: »Hast du Coburn gefunden?«
»Fred ist tot.«
Er wartete auf eine Reaktion, erwartete aber im Grunde keine und bekam auch keine. Nicht einmal ein erschrockenes Luftholen und erst recht kein mitfühlendes Murmeln. In diesem Gespräch ging es ausschließlich darum, so schnell und präzise wie möglich die Fakten zu klären.
Auch wenn es ihm höchst unangenehm war, schlechte Nachrichten zu überbringen, so beschrieb er doch die Szene in Honors Haus in allen Einzelheiten und gab alles weiter, was Fred ihm kurz vor seinem Tod erzählt hatte. »Jemand hat mich danach noch einmal von seinem Handy aus angerufen, aber als ich mich gemeldet habe, wurde sofort
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