Böses Herz: Thriller (German Edition)
Frauenstimme hörte: »Büro von Deputy Director Hamilton. Mit wem darf ich Sie verbinden?«
»Wer sind Sie? Geben Sie mir Hamilton.«
»Wen darf ich melden?«
»Sparen Sie sich den Bockmist. Geben Sie ihm einfach das Telefon.«
»Wen darf ich melden?«
Verfluchte Bürokraten. »Coburn.«
»Verzeihung, wie meinen Sie?«
»Coburn«, wiederholte er ungeduldig. »Lee Coburn.«
Nach einer bedeutungsschweren Pause sagte die Frau am anderen Ende der Leitung: »Das ist unmöglich. Agent Coburn ist verstorben. Er kam vor über einem Jahr ums Leben.«
17
D iegos Handy vibrierte, aber aus reinem Trotz wartete er ein paar Sekunden ab, bevor er den Knopf drückte. »Wer spricht?«
»Was glaubst du denn?« Die Gegenfrage klang genauso giftig.
»Ist der Typ schon gefunden worden?«
»Wie sich herausgestellt hat, macht er mehr Probleme, als wir anfangs dachten.«
»Ach was? Diese Clowns haben richtig abgekackt, oder? Ihn so entwischen zu lassen.« Am liebsten hätte er noch angefügt: Das hast du davon, dass du den Job nicht mir überlassen hast, aber er wollte sein Glück nicht überstrapazieren. Natürlich hatte er auch andere Auftraggeber, aber diese Geschäftsbeziehung – wenn man es denn so nennen wollte – war äußerst lukrativ.
Nachdem er damals den Frisiersalon verlassen hatte, hatte er jahrelang auf der Straße gelebt, hier und dort geschlafen, sich Essen und Kleidung zusammengesucht. Überlebt hatte er nur dank seiner Gerissenheit, die er einem unbekannten Beiträger zu seinem Genpool zu verdanken hatte, und so war ihm schon bald klar geworden, dass man mit Tauschgeschäften, Diebstählen und Mülltonnenplündern nicht weit kam. Die einzige Währung, die wirklich zählte, war Geld.
Also hatte Diego sich darangemacht, welches zu verdienen. Er hielt die Augen offen und lernte und erwies sich als gewiefter Schüler. Für seine besonderen Fähigkeiten gab es einen riesigen Markt. Sein Geschäft florierte unabhängig vom ökonomischen Klima, das ansonsten herrschte. Im Gegenteil, am meisten hatte er zu tun, wenn die Zeiten härter wurden und das mörderische Gesetz des Dschungels strikter angewandt wurde.
Schon als junger Teenager hatte er sich den Ruf erworben, zu plötzlichen, brutalen Gewaltausbrüchen zu neigen, weshalb selbst die härtesten Kaliber sich vor dem schmächtigen, kleinen Burschen in Acht nahmen und ihm so weit wie möglich aus dem Weg gingen. Er hatte keine Freunde und wenige Konkurrenten, weil kaum jemand so gut war wie er.
Soweit es den Staat Louisiana anging, existierte er überhaupt nicht. Nachdem seine Geburt nie registriert worden war, hatte er auch nie eine Schule besucht. Obwohl er im Grunde Analphabet war, konnte er immerhin bruchstückhaft lesen, womit er gut durchs Leben kam. Spanisch hatte er auf der Straße gelernt und sprach es fließend. Er hätte seine Heimatstadt auf keiner Karte finden können, aber er kannte sie besser als jeder andere. Er hatte noch nie von Bruchstrichen oder Multiplikationstabellen gehört, trotzdem konnte er blitzschnell im Kopf Geldbeträge berechnen. Schon jetzt überschlug er, was er mit dem Entgelt für Coburns Beseitigung anstellen würde.
»Ist der Typ inzwischen gefasst oder nicht?«
»Nein. Dafür hat er Fred Hawkins erwischt.«
Das überraschte Diego, trotzdem gab er keinen Kommentar dazu ab.
»Und jetzt sind alle völlig von der Rolle. Ich will, dass du einsatzbereit bist, falls Coburn seine Verhaftung überleben sollte.«
»Ich bin immer einsatzbereit.«
»Möglicherweise musst du dich auch noch um eine Frau und ein Kind kümmern.«
»Das kostet extra.«
»Ich weiß.« Diego hörte ein wütendes Schnaufen. »Was diese Hure angeht …«
»Die Sache ist erledigt. Habe ich doch gesagt.«
»Ja, stimmt. Ich war beschäftigt. Ich melde mich wieder.«
Der Anruf endete ohne ein weiteres Wort.
Es war auch keines mehr nötig. Sie hatten einander verstanden. Wie von Anfang an. Vor ein paar Jahren hatte jemand, der jemanden kannte, Diego wegen eines Auftrags angesprochen. Ob er interessiert sei? Das war er.
Er hatte die Telefonnummer angerufen, die er bekommen hatte, sich das Bewerbungsgespräch angehört und daraus geschlossen, dass ihre Verbindung so bleiben würde, wie es ihm am liebsten war – lose. Er hatte diesen ersten Job übernommen und sein Geld bekommen. Seither war er im Geschäft.
Er ließ das Handy in die Halterung an seinem Gürtel gleiten, zog die Schultern vor und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Wie von selbst
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