Böses Herz: Thriller (German Edition)
ihrem Mädchennamen noch zwei weitere zur Auswahl gehabt hätte. Außerdem klang es gut. Tori Shirah. Das hatte etwas Exotisches, das gut zu ihrem Stil und ihrer extravaganten Persönlichkeit passte.
Sie hatte noch einen zweiten Grund, sich liebevoll an ihn zu erinnern: Sein Vermächtnis hatte es ihr ermöglicht, ihr elegantes, schickes Fitnessstudio zu eröffnen, das erste und einzige seiner Art in Tambour und Umgebung.
Mit einer Hand am Lenkrad tippte sie Honors Handynummer ein. Sie landete sofort auf der Mailbox. Fluchend schoss sie unter einer roten Ampel durch über eine Kreuzung und durchsuchte gleichzeitig ihr Adressverzeichnis nach einer Handynummer von Stan Gillette. Sie hatte eine. Und rief an. Mit dem gleichen Ergebnis. Sie landete auf der Mailbox.
Sie überholte einen Schulbus, der Kinder ins Freizeitlager brachte, und bremste einen Block weiter vor der Einfahrt zu ihrer Wohnanlage. Kaum dass die Corvette mit quietschenden Reifen zum Stehen gekommen war, hatte Tori ihre Haustür aufgeschlossen. Sie ließ die Handtasche direkt hinter der Tür auf den Boden fallen, stieg darüber hinweg und zerrte sich, noch während sie durch den Flur lief, das Sporttop über den Kopf.
Gerade als sie das Top aufs Bett schleuderte, fragte eine Stimme in ihrem Rücken: »Sind sie noch so fest wie früher?«
»Was zum …« Sie fuhr herum. Hinter ihrer Schlafzimmertür stand Doral Hawkins und glotzte sie geifernd an. »Was soll das? Du hast mir einen Scheißschrecken eingejagt, Doral!«
»Wie beabsichtigt.«
»Du warst schon immer ein Arschloch.« Ohne sich darum zu scheren, dass sie halbnackt vor ihm stand, stemmte sie die Hände in die Hüften. »Was willst du hier?«
»Ich habe bei dir im Club angerufen. Die Tussi am Empfang hat mir erklärt, dass du gerade weggefahren wärst. Ich war nur ein paar Blocks von hier.«
»Und du hättest nicht wie ein normaler Mensch vor der Tür auf mich warten können?«
»Hätte ich schon, aber hier drin ist der Ausblick schöner.«
Sie verdrehte die Augen. » Noch mal … Was tust du hier? Das mit Fred weißt du doch, oder?«
»Ich habe ihn gefunden.«
»Oh. Wie schrecklich.«
»Wem sagst du das.«
»Mein Beileid.«
»Danke.«
Sie ärgerte sich so über ihn, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch, Doral, aber ich verstehe immer noch nicht, was du hier zu suchen hast, wo eben dein Bruder ermordet wurde. Man sollte doch meinen, du hättest was Besseres zu tun, als auf meine Titten zu glotzen.«
»Ich muss Honor ein paar Fragen stellen.«
»Honor?«
»Honor?« , äffte er sie nach. Schlagartig ließ er die leutselige Fassade fallen, baute sich vor ihr auf, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und drückte es zusammen, bis es zu einer Fratze verzerrt war. »Du solltest mir lieber verraten, wo sich Honor verkrochen hat, denn sonst könnte ich dir dein Botoxgesicht zerquetschen wie eine reife Kakifrucht.«
Tori war nicht leicht einzuschüchtern, aber sie war auch nicht dumm.
Sie kannte Doral Hawkins’ Ruf zur Genüge. Seit Katrina sein Boot zerschmettert hatte, das er bis zu dem Hurrikan für Angelausflüge vermietet hatte, hatte er abgesehen von dem kärglichen Gehalt als städtischer Angestellter keine nennenswerten Einkünfte. Trotzdem lebte er auf großem Fuß. Ihr Verdacht, dass Doral in illegale Geschäfte verwickelt war, war auf nichts begründet, aber es hätte sie auch nicht überrascht, wenn er sich bestätigt hätte.
Er und Fred hatten schon in der Grundschule Ärger gemacht und Mitschüler wie Lehrer drangsaliert. Als sie in die Highschool kamen, begingen sie bereits kleinere Delikte: Sie klauten Radkappen, zerschossen mit ihren Jagdgewehren die Flutlichter im Stadion und terrorisierten Kinder, die sich nicht von ihnen gängeln lassen wollten. Hätte Stan Gillette sie nicht nach Kräften gezügelt, wären beide wohl endgültig abgerutscht. Manche meinten, nur sein Einfluss hätte sie vor dem Gefängnis bewahrt.
Allerdings musste man ihnen zugutehalten, dass sie sich nach Eddies Tod Honor gegenüber höchst anständig verhalten hatten. Trotzdem gingen immer noch Gerüchte um, dass sie trotz Stans Anstrengungen und Einflussnahme nicht völlig auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt waren und dass Fred nur Polizist geworden war, damit er und sein Bruder ihre Mitmenschen ganz legal drangsalieren konnten.
Bisher hatte Tori nicht feststellen können, wie viel an diesen Gerüchten dran war, weil sie nur selten
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