Böses Herz: Thriller (German Edition)
habe ich ihr eine Gutenachtgeschichte erzählt, und darüber ist sie eingeschlafen.«
»Wahrscheinlich ist es besser so.«
»Bestimmt. Sie hat Angst im Dunkeln, und ich wollte die Laterne nicht einschalten. Obwohl ich schon mit dem Gedanken gespielt habe, sie aufs Deck zu stellen, damit Sie zurückfinden. Ich hatte Angst, dass Sie uns in der Dunkelheit nicht finden würden. Sie haben schließlich nicht gesagt, was ich tun soll, bevor Sie aufgebrochen sind.«
Falls er den unausgesprochenen Tadel bemerkt hatte, ließ er ihn unkommentiert. »Jedenfalls haben Sie alles richtig gemacht.«
Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte ihn erkennen. Seine Kleider waren durchnässt, die Haare klebten ihm am Kopf. »Ich bin gleich wieder da«, erklärte sie ihm.
Sie ging die Treppe hinunter, versteckte die Pistole wieder unter der Matratze, sammelte dann ein paar Sachen zusammen und kletterte damit ins Ruderhaus zurück. Erst reichte sie ihm eine Flasche Wasser. Er dankte ihr, drehte den Deckel ab und leerte sie in einem Zug.
»Die hier habe ich noch gefunden.« Sie reichte ihm eine zusammengefaltete Khakihose und ein T-Shirt. »Sie lagen in einem der Vorratsfächer. Die Hose ist allerdings mit Sicherheit zu kurz, und sie riecht ein bisschen modrig.«
»Egal. Dafür ist sie trocken.« Erst schälte er sich Eddies T-Shirt vom Leib und ersetzte es durch das, das ihrem Vater gehört hatte, dann begann er seine Hose aufzuknöpfen.
Sie drehte ihm den Rücken zu. »Sind Sie hungrig?«
»Und wie.«
Sie kletterte wieder nach unten und schaltete kurz die Lampe ein, um das Essen zu finden, das sie für ihn beiseitegestellt hatte. Bis sie wieder ins Ruderhaus zurückgekehrt war, hatte er die Hose gewechselt. Sie stellte die Sachen auf dem Instrumentenbrett ab. »Sie haben keinen Dosenöffner mitgebracht.«
»Ich habe Dosen mit Laschen gekauft.«
»Alle, außer der Ananasdose. Und natürlich wollte Emily genau die.«
»Tut mir leid.«
»Ich habe einen Dosenöffner in einer Schublade unter dem Herd gefunden. Er ist völlig verrostet, womöglich sterben wir also an einer Bleivergiftung, aber immerhin konnte sie Ananas essen.«
Er bediente sich mit den Fingern an der Hühnerbrust aus der Dose, den Ananasscheiben und Salzcrackern. Zuletzt spülte er alles mit einer weiteren Flasche Wasser hinunter, die Honor ihm von unten holte. Außerdem hatte sie ein Päckchen Kekse mitgebracht, um seinen bemerkenswerten Appetit auf Süßes zu stillen.
Er saß auf dem Boden, den Rücken gegen das Instrumentenbrett gelehnt. Sie saß auf dem Kapitänsstuhl ihres Vaters, an dem die Elemente genauso genagt hatten wie an allem anderen auf diesem Boot.
Die Stille wurde nur durch das Prasseln des Regens und das Knuspern der Kekse durchbrochen.
»Es regnet immer mehr«, bemerkte sie nach einer Weile.
»M-hm.«
»Wenigstens vertreibt der Regen die Moskitos.«
Er kratzte sich am Unterarm. »Leider nicht alle.« Er zog den nächsten Keks aus der Packung und biss die Hälfte ab.
»Ob sie uns hier finden?«
»Ja.« Nachdem er sah, wie sehr seine unverblümte Antwort sie erschreckte, ergänzte er: »Es ist nur eine Frage der Zeit und hängt hauptsächlich davon ab, wann Hamilton seine Truppen losschickt. Wahrscheinlich hat er es schon getan.«
»Falls sie uns finden …«
»Wenn sie uns gefunden haben.«
»Wenn sie uns gefunden haben, werden Sie sich dann …« Sie suchte nach dem passenden Wort.
»Friedlich ergeben?«
Sie nickte.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Genau wie ich Hamilton erklärt habe, gebe ich keine Ruhe, bis ich diesen Hurensohn aus dem Geschäft gezogen habe.«
»Den Bookkeeper.«
»Das ist kein Auftrag mehr. Das ist ein Duell, er gegen mich.«
»Wie hat das eigentlich funktioniert? Dieser Deal, den er mit Marset hatte?«
»Mal sehen. Nehmen wir ein Beispiel. Jedes Mal, wenn ein Sattelschlepper von einem Staat in den nächsten wechselt, muss er an einer Wiegestation Halt machen. Sind Ihnen schon mal diese Eisengalgen aufgefallen, die an den Grenzen der einzelnen Bundesstaaten neben den Freeways stehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fahre nicht so oft in andere Bundesstaaten, aber nein, die habe ich noch nie bemerkt.«
»Die wenigsten Menschen bemerken sie. Sie sehen aus wie Ampeln. In Wahrheit sind es Radargeräte, die jeden Sattelschlepper und Lastwagen durchleuchten, und sie sind ständig besetzt. Wenn einer der Posten einen Truck bemerkt, der ihm verdächtig vorkommt oder der nicht
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