Böses Herz: Thriller (German Edition)
oder wartete auf eine Gelegenheit, selbst abzusahnen. Vielleicht wollte er es mit Erpressung versuchen. Ich weiß es nicht.«
Sie starrte ihn schweigend an, bis er mit leichtem Widerwillen einschränkte: »Oder er war ein ehrlicher Polizist, der versuchte, einen von beiden oder beide zusammen vor Gericht zu bringen. Aber ob er nun korrupt oder unbestechlich war, bestimmt hätte er sich zu schützen versucht, indem er Beweise sammelte, die er für seine Zwecke einsetzen konnte.«
Honor war überzeugt, dass Eddie durch und durch ehrlich gewesen war, aber einstweilen ließ sie das Thema auf sich beruhen. »Royale Trucking. Sind alle Angestellten dort korrupt?«
»Bei Weitem nicht. Die sechs, die zusammen mit Marset gestorben sind, waren es allerdings schon. Er hatte über seine undurchsichtigen Geschäfte Buch geführt, aber diese Unterlagen bekam bis auf seinen engsten Vertrauten niemand zu sehen. Die Angestellten im Büro und selbst seine Angehörigen wussten nichts von seinen Nebengeschäften.«
»Wie war das möglich?«
Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht haben sie nicht allzu genau hingesehen. Vielleicht wollten sie nichts sehen. Sie wussten nur, dass sein Geschäft trotz der allgemein schwachen Wirtschaft florierte.«
»Ihnen wird also nichts passieren? Mrs. Marset zum Beispiel?«
»Angeklagt wird sie höchstwahrscheinlich nicht. Trotzdem wird es nicht einfach für sie, wenn die Wahrheit über ihren Mann ans Licht kommt.«
Honor zog die Füße auf die Sitzfläche, schlang die Arme um die Beine und ließ das Kinn auf die Knie sinken. Leise stellte sie fest: »Die werden Sie umbringen.«
Er biss wortlos in den nächsten Keks.
»Doral oder einer aus dem Hawkins-Clan. Selbst die ehrlichen Polizisten, die in Ihnen nur den Mörder von Sam Marset sehen, würden Sie bestimmt lieber tot als lebendig nach Tambour zurückbringen.«
»Hamilton hat allen erzählt, dass ich längst tot sei. Ich frage mich, wie er sich aus der Sache herauswinden will.«
»Wie können Sie darüber noch Witze reißen? Macht es Ihnen keine Angst, dass Sie umgebracht werden könnten?«
»Nicht besonders.«
»Sie machen sich keine Gedanken übers Sterben?«
»Es überrascht mich eher, dass ich noch lebe.«
Honor zupfte an einem Nagelhäutchen, das sich gelöst hatte, während sie am Boot gearbeitet hatten. »Sie wissen so viele Sachen.« Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Er sah neugierig zu ihr auf. »Überlebenssachen. Andere Sachen.«
»Ich weiß nicht, wie man Cupcakes macht.«
Zum ersten Mal, seit sie ihn bäuchlings in ihrem Garten liegend gefunden hatte, neckte er sie, aber sie ließ sich davon nicht ablenken. »Haben Sie das alles bei den Marines gelernt?«
»Das meiste.«
Sie wartete ab, aber es folgte keine nähere Erklärung. »Sie waren eine andere Art von Marinesoldat als mein Schwiegervater.«
»Er war ein Soldat wie von einem Werbeplakat?«
»Ganz genau.«
»Dann war ich, ja, anders. Wir sind nie im Gleichschritt marschiert. Ich hatte eine Uniform, aber die habe ich nur ein paar Mal getragen. Ich habe fast nie vor einem Offizier salutiert, und vor mir hat erst recht niemand salutiert.«
»Und was haben Sie wirklich gemacht?«
»Menschen getötet.«
Das hatte sie schon vermutet. Sie hatte sich sogar vorgemacht, sie würde nicht zusammenzucken, wenn er es endlich zugeben würde. Aber die Worte trafen sie wie winzige Faustschläge, und weil sie befürchtete, dass diese Schläge allzu schmerzhaft werden könnten, wenn sie noch mehr hörte, vertiefte sie das Thema nicht weiter.
Er aß den letzten Keks und klopfte sich die Krümel von den Händen. »Machen wir uns an die Arbeit.«
»Arbeit?« Sie war so erschöpft, dass ihr jeder Muskel wehtat. Sie hatte das Gefühl, dass sie an Ort und Stelle einschlafen würde, sobald sie nur einmal die Augen schloss. Mochte die Matratze noch so stockfleckig sein, sie sehnte sich danach, neben Emily zu liegen und zu schlafen. »Welche Arbeit?«
»Wir müssen noch einmal alles durchgehen.«
»Was durchgehen?«
»Eddies Leben.«
26
I m Schutz von Dunkelheit, Regen und einer dichten Hecke schlich sich Diego an das Anwesen heran. Bonnell Wallace wohnte in einer der imposanten Villen an der St. Charles Avenue.
Vom Standpunkt eines Einbrechers aus war es eine verfluchte Festung.
Die Gartenbeleuchtung war so angelegt, dass sie möglichst schmeichelhafte Akzente setzte. Sie stellte ein zu vernachlässigendes Risiko dar. Schon auf den ersten Blick boten sich Diego hundert
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