Boeses mit Boesem
größeren Geheimnis gehörte, das sein Arbeitsplatz für sie darstellte.
Ich notierte mir die Kirche, während ich mich zum nächsten Teil des Standard-Fragenkatalogs aufraffte. Ich wusste nicht, wo dieses plötzliche Widerstreben herkam, aber es war mir absolut nicht willkommen. Letzte Woche hatte ich eine Frau gefragt, ob sie schätzen könne, wie viele Prostituierte ihr Mann wöchentlich besuche, und dabei war ich nicht rot geworden wie ein Schuljunge.
»Hat Isaac Ihnen je gesagt, dass wir zusammen in Teheran gedient haben?«
»Ja. Er hat ein paarmal über seinen Einsatz dort gesprochen«, antwortete sie.
Von klein auf lehrt man uns, nicht zu lügen, doch schon einfache Höflichkeit oder der Wille zu gefallen bringen uns dazu, dieses Gebot zu brechen. Kein Wunder, dass man es dann so schwer findet, die Wahrheit zu sagen, wenn es tatsächlich darauf ankommt.
»Seit damals habe ich ihn nicht mehr gesehen«, erklärte ich. »Ich pflege meine Freundschaften nicht gut.«
Sie lächelte und wartete darauf, dass ich fortfuhr.
»Ich erwähne das deshalb, weil Sie wissen sollten, dass mir persönlich daran liegt, ihn zu finden. Darum stelle ich diese Fragen und Sie müssen mir so ehrlich wie möglich antworten.«
»Ich bin erwachsen«, sagte Faye. Es klang wie ein Echo von Marys Worten und hatte doch das Gegenteil der beabsichtigten |74| Wirkung. »Fragen Sie mich, was immer Sie wissen müssen.«
»War Isaac deprimiert oder hat er sich wegen irgendetwas Sorgen gemacht?«
»Sie meinen, ob er selbstmordgefährdet war?«, fragte Faye. »Warum hätte er das sein sollen? Er will heiraten.«
Ich machte weiter. »Hat er mehr als üblich getrunken oder Drogen genommen?«
»Hin und wieder ein Bier, etwas Schlimmeres habe ich nie gesehen.«
»Glauben Sie, dass es in seinem Leben eine andere Frau gibt?«
»Wir haben so viel Zeit getrennt verbracht, dass ich es nicht mit Sicherheit ausschließen könnte«, antwortete Faye. »Aber Isaac ist nicht wirklich der Typ dafür, oder?«
An der Garderobe neben der Tür hingen keine Männerjacken und darunter standen keine Schuhe. Die paar Bücher in den Regalen waren quasireligiöse Selbsthilfe-Ratgeber, nicht die Spionageromane, die Isaac verschlungen hatte, als ich ihn kannte. Sicher konnte ich mir erst sein, wenn ich ins Schlafzimmer geschaut hatte, aber alles war zu sauber und ordentlich dafür, dass ein Mann hier längere Zeit gewohnt haben sollte.
Faye beobachtete, wie ich die Wohnung ein weiteres Mal musterte, und beantwortete meine unausgesprochene Frage. »Er lebt hier nicht. Er hat ein Zimmer in Flushing, in einer dieser Pensionen.« Sie schrieb eine Adresse auf und gab sie mir.
Im letzten Jahrzehnt hatten Pensionen ein großes Comeback erlebt. Früher hatten junge, unverheiratete Männer, die keinen eigenen Haushalt führen wollten, dort ein möbliertes Zimmer und eine Ersatzmutter gefunden. Als es üblich wurde, dass Paare ohne Trauschein zusammenzogen, hatte sich all das geändert, bis die Regierung begann, Unverheirateten, deren Post vor dieselbe Haustür fiel, auf den Zahn zu |75| fühlen. Gleichgeschlechtliche Wohngemeinschaften konnten zu noch viel schlimmeren Missverständnissen führen. Und so mieteten die Leute kleine Zimmerchen von zweifelhaftem Komfort, um eine Postanschrift zu haben, damit niemand sich aufregen musste.
»Waren Sie in dieser Pension?«
»Ich bin vor ein paar Tagen dorthin gegangen, als Isaac meine Anrufe nicht mehr erwiderte.« Sie verzog das Gesicht. »Nach dem, was ich von außen sehen konnte, ist mir unbegreiflich, wie er es dort ausgehalten hat.«
»Sie sind nicht hineingegangen?«
»Ich hatte keinen Schlüssel und der Hausverwalter hat mich nicht eingelassen. Er sagte, er habe Isaac nicht gesehen. Ein sehr unangenehmer Mensch«, erklärte Faye. »Er behauptete, Isaac schulde ihm Miete, und die wollte er vollständig ausgezahlt haben, bevor er mich hereinließ. Ich war nicht bereit, mich erpressen zu lassen.«
»Was das Geld angeht …«
»Ich kann Sie bezahlen, machen Sie sich da keine Sorgen«, unterbrach mich Faye. »Ich habe unsere Ersparnisse und den Rest des Bonus’, den Isaac erhalten hat, als er sich für seine zweite Dienstzeit beim Militär eingeschrieben hat.«
Normalerweise hatte ich kein Problem damit, Geld von jemandem anzunehmen, insbesondere dann nicht, wenn ich es im Schweiße meines Angesichts verdienen würde. In meiner Branche konnte man sich keine Zimperlichkeiten leisten, schon gar nicht, wenn es um das
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