Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
Vom Netzwerk:
Richard Aftergood und seine beiden Hilfspriester. Er war ein kleiner, aber kräftig gebauter Mann knapp über fünfzig. Aftergood hatte zwar ein Bäuchlein, aber das war kleiner, als man von einem Mann seines Alters erwarten würde. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und an seinem Handgelenk und in der Mitte seiner Krawatte glitzerte etwas. Aus der Ferne sah er eher wie ein Unternehmensleiter als wie ein Mann Gottes aus.
    Aftergood stimmte in das Kirchenlied ein, sobald er auf dem Podium angekommen war. Nach dem Lied setzten wir uns. Er warf seiner Herde einen langen Blick zu und lächelte.
    »Meine Freunde, willkommen zu einem weiteren herrlichen Sonntag im Dienste des HERRN«, sagte er.
    Ungefähr da schaltete ich ab. Ich war seit dem Tod meines Vaters nicht mehr in der Kirche gewesen. Das war allerdings ein ganz anderer Stiefel gewesen, protestantisch und düster, und das nicht nur, weil es sich um eine Beerdigung gehandelt hatte. Hier dagegen gab es einen vierzigköpfigen Chor, eine Liveband, einen Bildschirm und viel Tanz und Geschrei für den Herrn. Ich nahm zwar so wenig wie möglich daran teil, konnte aber die Attraktivität begreifen. Die traditionellen Kirchen waren einfach nicht unterhaltsam genug.
    Als das letzte Kirchenlied erstarb, ordnete Aftergood ein paar Blätter auf einem Lesepult. Ich wurde ein bisschen munterer. Die Predigt würde mir sagen, mit welcher Art von Mensch ich es zu tun hatte.
    »Sie behaupten, es werde keine Verzückung geben«, begann Aftergood ohne Vorwarnung. »Sie
behaupten
, es werde keine Verzückung geben. Sie behaupten, ihr wäret krank, sie behaupten, ich wäre verrückt. Wir seien irregeleitet, leichtgläubig. Spott, Verfolgung, Verachtung. Das ist der Preis, den wir für unsere Liebe zu Jesus bezahlen, und es ist der beste Handel, der je abgeschlossen wurde.« Aftergood machte eine |112| Pause, damit die Zuhörer applaudieren konnten, und wurde nicht enttäuscht. »Ich weiß, Sie fragen sich: Warum? Warum behaupten sie so etwas?
    Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Gottesleugners. Nur einen Moment lang; mehr wäre gefährlich. Sie leben in einer großen Stadt. Sie glauben weder an Gott noch an unser Land noch an die Ehe. Vielleicht sind Sie ein bisschen   … Sie wissen schon.
    Und jetzt stellen Sie sich vor, wie sie eines Tages Besorgungen machen. Das tun die auch. Sie sind also unterwegs«, sagte er und trippelte zu begeistertem Gelächter auf der Tribüne herum, »um Ihr Müsli zu besorgen und etwas Pornografie. Vielleicht schauen Sie auch bei einem Freund vorbei und beschaffen sich ein paar Drogen. Aber heute ist nicht einfach irgendein Tag.« Der Mann neben mir beugte sich erwartungsvoll vor. »Heute ist der Tag der Tage, der ruhmreiche Beginn. Plötzlich sehen Sie, wie all die Leute, die Sie hassen – das Ehepaar, das mit seinen Kindern zur Kirche geht, das Mädchen, das sich für seine Hochzeit aufbewahrt, die angeblichen Meckerer, die ›Spießer‹   –, Sie sehen, wie sie alle in die Luft davonschweben. ›Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen.‹ Erster Thessalonicher vier, Vers siebzehn. Und es geschieht überall, meine Freunde. Überall. Autobahnen werden von leeren Wagen verstopft, Flugzeuge fallen ohne Pilot vom Himmel. Millionen von Menschen sind innerhalb eines Augenblicks verschwunden, auf dem Weg hinauf, ihrem Schöpfer entgegen. Dieser Aufzug fährt nur in eine Richtung, und zwar aufwärts, aufwärts, aufwärts!«
    Aftergood wischte sich die Stirn, doch das war nur ein Vorwand, die Menge ein wenig zur Ruhe kommen zu lassen. »Wir sind weg, und wer bleibt zurück? Heiden, Homosexuelle, Moslems und die sturen Leugner Christi.«
    |113| Ich war mir nicht sicher, ob er damit Juden meinte oder sehr skeptische Menschen. Thomas hatte an Christus gezweifelt und Petrus hatte ihn drei Mal verleugnet. Trotzdem war es für sie nicht schlecht gelaufen.
    »Und nur einen Moment lang« – Aftergood zeigte mit Daumen und Zeigefinger die Kürze der Zeit – »befindet sich dieser Liberale im Paradies. Es ist niemand mehr da, der ihn zum Beten auffordert oder dazu, an jemand anderen als sich selbst zu denken. Niemand, der ihm sagt, dass er keine Drogen nehmen soll, kein Pferd heiraten kann oder nicht mit seiner Schwester schlafen darf. Wenn es dir ein gutes Gefühl gibt, dann tu es, nicht wahr? Es ist niemand mehr da, der Nein sagt. Ohne uns ist

Weitere Kostenlose Bücher