Boeses mit Boesem
übereifrige Kinder.
»Der Messias kommt«, sagte Aftergood und der Saal schickte die Worte sofort zu ihm zurück. »Der Messias kommt«, wiederholte die Menge und es wurde zu einem Sprechgesang: »Der Messias kommt.« Wieder und wieder sangen wir diese Worte. Ich hielt meine Zweifel in mir verschlossen, während mein Körper das Notwendige tat, um mich der Menge anzupassen. Verstellung war ein regelmäßiger Bestandteil meiner Arbeit und ich hatte ein natürliches |116| Talent dafür, aber als der Sprechgesang anhielt, fiel es mir immer schwerer, ihm zu widerstehen. Rund um mich herum herrschte Freude. Meine Stimme vereinigte sich mit den anderen Stimmen auf dem Balkon, die sich wiederum mit denen unter uns trafen. Einen Moment lang kam mir mein Körper leicht vor. Die Worte zupften mich am Ärmel und versuchten, mich mit den anderen emporzutragen.
Der Gesang erstarb. Ordner gingen mit Goldschalen durch die Zwischengänge, während Reverend Aftergood um Spenden bat.
Nach dem Gottesdienst strömte die Menschenmenge in einen Begegnungssaal, der mit zu dem Gebäudekomplex gehörte. Ich nutzte das Linoleum ab, indem ich von einem ganz normalen Gottesdienstbesucher zum nächsten ging, über das Wetter plauderte und mit Isaacs Namen um mich warf. Keiner biss an. Es gehörte zu meinem Job, an Orten zu sein, wo ich nicht willkommen war, und Fragen zu stellen, die keiner beantworten wollte. Hier begegnete man mir nur mit Höflichkeit. Alle, die ich fragte, aßen ihren Gratis-Doughnut und verneinten freundlich. Ich hatte keinen Grund zu der Annahme, dass sie mich belogen. Isaac musste hier jemanden gekannt haben, aber es war die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Früher oder später würde ich zur Kirchenverwaltung gehen müssen.
Der Sohn Davids, der mich nach oben geschickt hatte, tauchte auf und beendete mein Dilemma.
»Entschuldigung«, sagte Hank. »Fred?«
»Ja?«, antwortete ich und bemühte mich, nicht zu reagieren, als er mich am Arm berührte.
»Reverend Aftergood würde sich gerne mit Ihnen unterhalten.«
Weder Hank noch sein Begleiter ließen auch nur einen Anflug von Boshaftigkeit erkennen. Ich hielt sie nicht für Menschen, die mich verprügeln würden, schon gar nicht in |117| einer Kirche, aber nach dem, was ich im Starlight gesehen hatte, war alles möglich. Hank zeigte auf eine Flügeltür. Ich folgte ihm.
Sie führten mich tief in den Verwaltungstrakt des Gebäudes. Wir gingen ein paar Treppen hinauf, vorbei an einer Empfangssekretärin und an einer alten Frau, die sie Marge nannten. Sie bedeutete uns, dass der Reverend in seinem Büro sei. Hank durchsuchte mich, bevor wir hineingingen. Meine Pistole lag wie die der anderen in einem Schließfach der Kirche, aber er nahm meine Brieftasche an sich. Ich hoffte irgendwie, dass Captain America versuchen würde, sie einzustecken, oder dass er zumindest einen Blick hineinwerfen würde. Stattdessen machte er die Bürotür auf.
Richard Aftergood starrte mich an, kaum dass wir den Raum betreten hatten. Es war nicht die übliche Neugier gegenüber jemand Unbekannten. Er versuchte, mich mit den Augen auseinanderzunehmen und herauszufinden, wie ich tickte. Es gefiel mir nicht, insbesondere nicht, da das die Art war, wie ich normalerweise andere Menschen anschaute.
»Setzen Sie sich bitte«, sagte Aftergood. Er streckte die Hand aus, um meine Brieftasche entgegenzunehmen, und dabei kam ein riesiger Bizeps unter einem taubenblauen Golfhemd zum Vorschein. Die Biografie auf der Website der Kirche hatte Aftergoods Spezialeinheiten-Hintergrund und die Orden, die er im ersten Golfkrieg bekommen hatte, in aller Ausführlichkeit geschildert.
Ich setzte mich auf einen der Stahlrahmenstühle ihm gegenüber und blickte mich um. Die Jahre, die ich in anderer Leute Büros verbracht hatte, hatten mich zu einer Art Kenner gemacht. Der Teppich war eierschalenweiß und bedeckte den ganzen Boden. Hinter Milchglas verborgene Wandlampen sorgten für die Beleuchtung. Hohe Bogenfenster zu meiner Linken ließen das Sonnenlicht ein, aber das einzige von Gottes Schöpfung, was sie zeigten, war der Parkplatz.
|118| Die Betonwände waren farblich passend zum Teppich gestrichen und mit goldgerahmten Fotos behängt. Aftergood stand im Mittelpunkt eines jeden von ihnen. Auf Familienfotos umgaben ihn seine Frau und seine Kinder wie die Äste eines Baumes. Der Rest waren Gruppenaufnahmen mit Mitgliedern der Kirchengemeinde; Isaac war nirgends drauf. An der Wand hinter Aftergoods Kopf
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