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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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nichts.
    »Ich denke, du weißt, warum ich hier bin«, sagte ich und versuchte, die in unserer Nähe abgeschossenen Pistolen zu übertönen. Es musste ihm klar sein, dass ich nach zehn Jahren nicht plötzlich grundlos aus dem Nichts auftauchte.
    Statt zu antworten, wandte Tony den Blick nach links. Die anderen fünf Schießstände waren besetzt. Männer in Titan-Uniformen schossen mit identischen Dienstwaffen auf identische Ziele. »Lädst du einen alten Armeekameraden zum Lunch ein?«
    Tony führte mich zu einem Sportlerlokal um die Ecke an der Leonard Street. Der einzige Platz an den Wänden, der nicht von großen Bildschirmen, auf denen sportliche Highlights liefen, eingenommen wurde, war mit Sportwimpeln und Schwarz-Weiß-Porträts behängt. Es war nicht die Art Lokal, die ich normalerweise frequentierte, nicht einmal, wenn ich nichts gegen organisierten Sport in irgendeiner Form gehabt hätte. Das Einzige, was für dieses Lokal sprach, waren großzügige Sitznischen und laute Musik.
    Auf dem Weg nach drinnen stieß ich mit jemandem zusammen, der gerade herauskam. Er war ein paar Jahre älter als ich und glückloser. Er trug ein an Manschetten und Ellbogen |127| abgewetztes, beiges Sakko. Auf der rechten Seite seiner Krawatte prangten zwei Saucenflecken. Er war kleiner als ich und hielt den Kopf gesenkt, als wir zusammenprallten, daher musste er aufblicken, um mein Gesicht zu sehen.
    »Hey, Kumpel   …«, begann er, doch seine Überheblichkeit verschwand so schnell, wie sie gekommen war. In sein stoppeliges, verwaschenes Gesicht trat eine Angst, wie sie eigentlich gehetzten Tieren vorbehalten ist. Der Mann stammelte etwas, das ich nicht verstand, und eilte über die Straße davon.
    »Ein Freund von dir?«, fragte Scalia.
    Ich zuckte die Schultern und hielt die Tür auf.
    Wir setzten uns in eine Nische weit hinten und Tony nickte der Kellnerin zu, einer Vierzigjährigen mit dem Körper einer Rentnerin. Sie schlenderte zu uns und trat, während sie unsere Bestellung aufnahm, von einem Bein aufs andere.
    »Ich nehm das Übliche«, sagte Tony. »Willst du was?«
    »Haben Sie Hamburger?«
    Die Kellnerin verzog das Gesicht auf eine Weise, die ich als ja interpretierte.
    »Dann nehme ich einen.«
    Tony und ich betrachteten einander, während die Kellnerin die Bestellung auf ihren Block kritzelte und dann abzog. Die letzten zehn Jahre hatten ihm nicht gutgetan und Tony war schon damals keine Augenweide gewesen. Sein schwarzes Haar war in Teheran schon schütter geworden, aber jetzt befand es sich im vollen Rückzug. Seine Haut war fahl und er hatte die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. Sein Gesicht war lang, nüchtern und nicht zu einem Lächeln imstande, selbst wenn es wollte. Diese todernste Visage hatte ihm den Spitznamen Judge, Richter, eingetragen. Er war davon nicht gerade begeistert, aber bei einem solchen Gesicht war ein Spitzname unvermeidlich. Damals hatte Benny versucht, ihn mit der Bemerkung zu trösten, er habe Glück, dass nicht |128| die Namen Droopy Dog oder trauriger Motherfucker an ihm hängen geblieben seien.
    »Du siehst fix und fertig aus, Judge.«
    Tony lachte, aber es klang mehr wie ein Bellen. »Ganz der alte Strange. Du warst damals ein Arschloch und bist es noch heute. Ich schätze, dagegen ist kein Kraut gewachsen.« Als das letzte Wort seinen Mund verließ, wurde Tony klar, was er da sagte. Seine Augen weiteten sich ein wenig und er räusperte sich. Es folgte Schweigen, auch wenn das Plärren der Musik es unmöglich machte, das zu hören. Tony versuchte nicht, sich zu entschuldigen, und ich wollte das auch gar nicht.
    Ich beschloss, zur Sache zu kommen, bevor beim Smalltalk noch jemandes Nase gebrochen wurde. »Ich suche Isaac.«
    Tony lehnte sich zurück. »Ich hatte immer erwartet, dass irgendwann jemand kommt. Aber ich muss zugeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du das sein würdest.«
    »Wen hast du erwartet?«
    »Die Bullen, das FBI, vielleicht sogar die Armee«, sagte Tony. »Jemand Offizielles.«
    »Sonst hat sich noch keiner nach ihm erkundigt?«
    Tony schüttelte den Kopf. »Keiner schert sich um ihn. Er ist aus der Armee ausgeschieden und Titan hat zehntausend Bewerbungen, aus denen die Firma auswählen kann.«
    »Hast du Isaac den Job bei Titan vermittelt?«
    »Ja, ich habe für ihn gebürgt. Ich habe Isaac reingebracht, weil er ein anständiger Kerl ist. Weißt du, wie selten das ist?«
    »Ich kann es mir vorstellen.«
    »Du würdest nicht glauben, mit was für

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