Boeses mit Boesem
Gesicht spannte, und so konnte ich durch den Stoff seinen Kummer genau sehen. Das kleine Mädchen warf sich auf die Leiche der Mutter. Wir taten so, als bemerkten wir es nicht.
»Wer hat die Frau durchsucht?«, fragte Blake.
Haig bekannte sich vom Flur aus dazu.
»Ihnen reiße ich später noch den Kopf ab. Gute Reaktion, Strange«, sagte Blake. »Zielen Sie nächstes Mal ein bisschen genauer.«
Sykes sah mich an. Ich merkte, dass er wegen des Mädchens fragen wollte. Noch eine Woche bei der Siebzehn und er würde wissen, dass wir keine Wohltätigkeitsorganisation waren. Wir nahmen uns keiner elternlosen Kinder an, auch nicht, wenn wir ihre Mütter getötet hatten. Wir gingen hintereinander nach draußen und ließen das Mädchen im Haus zurück.
»Was hat sie Ihnen gesagt?«, fragte Sykes. »Direkt bevor Sie sie erschossen haben.«
»Das waren keine Worte, Private.«
Wir stiegen in unsere Stryker Radpanzer und kehrten zur Universität zurück. Lieutenant Blake fuhr auf dem Beifahrersitz, während Sykes und ich uns den Rücksitz mit dem menschlichen Sicherheitspfand teilten. Wir fuhren schnell, mit ausgeschalteten Lichtern. Der Fahrer lenkte mithilfe des Nachtsichtgeräts. Diese Stryker waren die neuen Modelle, aufgerüstet mit einem verstärkten Panzerturm. Vorher, in der Zweiundachtzigsten, hatten wir mit dem vorliebnehmen müssen, was sich irgendwie beschaffen ließ. Den Präsidenten der Vereinigten Staaten als Schutzherrn zu haben, hatte seine Vorteile.
|174| Ich war inzwischen seit einem Jahr und zwölf Tagen bei der Siebzehn. Das wusste ich so genau, weil ich nicht glauben konnte, dass es erst so kurz war. Wir waren uns in der Zweiundachtzigsten nahe gewesen; das war unvermeidlich, wenn man Seite an Seite kämpfte, aß und schlief. Das Gleiche galt auch für die Spezialeinheit, aber in noch höherem Maße. Wir mieden den Kontakt mit den anderen Einheiten. Das war Glass’ Befehl, aber er hätte sich die Mühe sparen können. Die anderen Soldaten hielten sich von uns fern, wann immer wir im selben Gebiet operierten. Ich hätte die Blicke, die sie uns zuwarfen, gerne dem Neid zugeschrieben, denn im Gegensatz zu meinen Kollegen genoss ich es nicht, wenn Mitsoldaten Angst vor mir hatten.
Die Straßen waren so ruhig wie stets. Zehntausende Menschen lebten noch immer in der Stadt, auch wenn die Regierung das nicht zugab. Wenn ich darüber nachdachte – und ich bemühte mich, das nicht zu tun –, fragte ich mich, wie überhaupt jemand von ihnen noch am Leben sein konnte. Diese Stadt war nur für Ratten und Zombies ein gutes Zuhause. Wie bekamen sie sauberes Trinkwasser, Nahrung und im Winter Wärme? Es gab einen Schwarzmarkt in der Stadt, aber keine sichtbare Möglichkeit, Geld zu verdienen, um dort etwas zu kaufen. Irgendwie überlebten die Leute. Das taten sie immer.
Drei Wochen nach meiner Versetzung hatte ich begonnen, die Sterne zu bemerken. Das schien eine alberne Entdeckung zu sein; sie hatten sich schließlich nicht bewegt oder waren am Himmel umhergesprungen. Was sich verändert hatte, waren meine Augen. Bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen wir die Metzgerschule verlassen hatten, hatten wir uns immer in der grünen Unterwelt der Nachtsichtgläser bewegt. Jetzt war ich ständig draußen unterwegs und konnte den Nachthimmel genießen, der nur gelegentlich durch die Lichtverschmutzung einer Explosion getrübt wurde.
|175| »Sergeant.«
Ich brauchte einen Moment, bis ich merkte, dass Sykes mit mir sprach. Ich war gleich nach meiner Versetzung zur Spezialeinheit befördert worden. Unmittelbar bevor er mich auf meine erste Verhaftungsmission losschickte, hatte Glass mir die Streifen in die Hand gedrückt, aber auch ein Jahr später fühlte ich mich mit den Dingern auf den Schultern noch immer nicht recht wohl. Jedes Mal, wenn ich meinen neuen Rang hörte, erwartete ich, Benny hinter mir zu sehen, wie er eine Zigarette rauchte und vor sich hin fluchte.
»Sergeant«, wiederholte Sykes. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Alles bestens«, antwortete ich.
»Wenn es wegen der Frau ist, Sie wissen doch, Sie hatten keine andere Wahl.«
»Er hat gesagt, dass alles in Ordnung ist, Private«, sagte Blake von vorn. Er drehte sich um und sah mich an, sprach aber weiter mit Sykes. »Es ist nicht die Frau, über die er nachdenkt.«
Blake hatte an der Operation Goldenes Kalb teilgenommen, der Belagerung der Khomeini-Moschee. Das hatte er mir zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich hatte es herausgefunden,
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