Boeses mit Boesem
anderen waren mit gerahmten Naturfotos behängt. Neben dem Bett stand ein schwarzer Kunststoffnachttisch mit einem Wecker. Ich öffnete seine einzige Schublade und fand allen möglichen Kram. Die verblassten Quittungen waren Spuren ihres Alltagslebens, mehr nicht. Ein Verhütungsmittel fand ich nicht, aber das war keine Überraschung. Als kluges Mädchen musste Faye wissen, dass es nur in ihrem Interesse war, so etwas zu verstecken.
Im Schrank hingen eine Menge leerer Kleiderbügel, da Faye ja mit ihren Sachen im Waschsalon war. Hinten im Schrank stieß ich auf ein paar Outfits, die nicht zu dem Zimmer passten, in dem sie hingen. Es war eine Mischung aus schicken Kleidern und Abendgarderobe, alle von ausländischen Designern und sehr teuer. Wenn man noch die Schuhe dazurechnete, die darunter standen, war das hier der Gegenwert von ein paar Jahren Wohnungsmiete. Das passte definitiv nicht zu dem Bild vornehmer Armut, das Faye zu vermitteln versuchte.
Ganz hinten im Schrank fand ich eine unter alten Kleidern versteckte Schuhschachtel. Das, was darin lag, hätte mich nicht so überraschen sollen. Es waren etwa ein Dutzend |258| Fotos von Isaac und Faye. Ein paar waren in der Wohnung aufgenommen worden, der Rest in der Stadt. Isaac und Faye aßen in einem italienischen Restaurant zu Abend. Isaac und Faye warfen auf Coney Island Ringe und fuhren mit dem Autoscooter. Isaac und Faye hielten sich im Park bei der Hand. Isaac und Faye bauten ein gemeinsames Leben auf.
Ich legte die Fotos wieder in die Schuhschachtel und vergrub sie im Schrank. Ich hatte genug gesehen.
Ich lief ein oder zwei Stunden herum. Ich wusste nicht, wohin ich ging, und erinnere mich auch nicht mehr daran. Ich hatte zwei verschiedene Bilder von Faye und konnte das eine nicht mit dem anderen zusammenbringen. Da war Faye mit dem Korinther, der ihr die Hand auf den Arm gelegt hatte. Und dann war da die Faye, die ich auf all diesen Fotos hatte lächeln sehen. Ich versuchte mir eine alleinstehende Frau vorzustellen, die zu beiden Bildern passte, aber das misslang mir. Ich lenkte meine Schritte zur Wohnung zurück. Ich würde Faye mit dem konfrontieren müssen, was ich wusste, und später dafür bezahlen.
»Hallo, Felix«, sagte sie, öffnete die Tür und ließ mich ein. Ich zog meinen Mantel nicht aus und sie bemerkte es. »Haben Sie Isaac gefunden?«
»Wer sind Sie?«
Ihre Verwirrung war eine nahezu perfekte Kopie der echten Emotion.
»Felix, was wollen Sie …«
Ich packte sie am Arm. »Ich habe Sie heute zusammen mit dem Korinther gesehen. Sparen Sie sich das Theater und fangen Sie gar nicht erst an, es abzustreiten; wir werden nicht jünger.«
Faye sah auf meinen Arm und machte auf cool. »Wollen Sie mich schlagen, bis ich Ihnen sage, was Sie hören wollen?«
Ich ließ sie los.
|259| »Warum setzen wir uns nicht?«
Wir setzten uns auf dieselben Plätze wie bei unserem ersten Gespräch und blickten uns über das Niemandsland des abgenutzten Couchtischs hinweg an. Diesmal standen keine heißen Getränke auf der Karte.
»Fangen Sie an.«
»Als ich noch jünger war, wurde mein Vater krank.«
Ich sah eine rührselige Geschichte auf mich zukommen. Um Fayes willen hoffte ich, dass sie gut war.
»Es war Krebs. Er hatte ihn schon einmal besiegt, aber die Behandlung wurde nicht von unserer Versicherung gedeckt. Er führte einen kleinen Lebensmittelmarkt und der war bereits mit Hypotheken belastet. Ich war verzweifelt.«
»Also sind Sie an den Korinther herangetreten.«
»Nicht gleich. Mein Vater war mit Leuten aufgewachsen, die bestimmte Leute kannten. Ich ging zu einem Kredithai, aber der sagte mir, auf Anweisung des Korinthers könne er mir nicht helfen. Ich hatte den Namen noch nie gehört und habe noch immer keine Ahnung, woher er von mir wusste.
Ich suchte ihn in seinem Club auf. Er sagte, er würde mir das Geld nicht leihen, aber mir eine Anstellung zu ›sehr günstigen Bedingungen‹ verschaffen. Das waren seine Worte. Er sagte, ich hätte die Art von frischem, unschuldigem Gesicht, nach dem er gesucht habe. Ich hatte Angst, dass er mich auffordern würde, mich zu prostituieren, und noch mehr Angst, dass ich Ja sagen würde. Er wollte aber etwas anderes von mir.«
»Etwas Schlimmeres?«
»Das dachte ich nicht, zumindest anfangs nicht. Der Korinther hat achtbare Freunde – Geschäftsleute, Bundesstaatssenatoren, Polizeibeamte – und manchmal schickte er ihnen Geschenke. Die waren zu wertvoll für die Post und er konnte
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