Boeses Spiel in Oxford
ein, dass die Tragödie längst geschehen war. Sie bemühte sich, den Gedanken daran zu ignorieren, doch er lag ihr auf der Seele wie ein Bleigewicht. Von einem anderen Standpunkt solle sie das Ganze sehen, hatte Roz ihr geraten. Die Fosters waren keine Freunde von ihr gewesen. Dank der CD in ihrem Walkman hatte sie weder etwas gesehen noch gehört. Es gab nichts, was sie zum Fortgang der Ermittlungen beitragen konnte.
Sie zog sich einen Morgenmantel über und ging nach unten, um Kaffee aufzusetzen und die Katze zu füttern – wobei die Reihenfolge noch zur Debatte stand.
Um acht würde Jeremy kommen. Für einen derart harmlos wirkenden Menschen gab er sich ganz schön geheimnisvoll. Trotzdem konnte sich Kate beim besten Willen nicht vorstellen, dass er etwas mit den Morden zu tun haben könnte. Vielleicht gehörte er zu jenen Leuten, die bei jedem aufsehenerregenden Ereignis im Mittelpunkt stehen wollten, um ihrem langweiligen Leben wenigstens ein bisschen Bedeutung zu verleihen. Möglicherweise wollte er auch nur über den Mord reden, ihn analysieren und seine Erfahrungen mit jemandem diskutieren, der ebenfalls betroffen war. Wer weiß, vielleicht fanden sie ja gemeinsam einen Sinn dahinter und konnten nach erfolgter Aufarbeitung anfangen, das schreckliche Ereignis zu vergessen.
Andererseits hegte Kate einen gewissen Zweifel, dass sie sich ausgerechnet Jeremy anvertrauen wollte. Am besten würde sie ihm erklären, sie müsse sich ganz dringend ihrer Arbeit widmen. Spätestens um neun musste er verschwunden sein. Besser noch um viertel vor neun.
Bis Jeremy kam, hatte Kate geduscht, gefrühstückt, sich angezogen und die erste Seite der Zeitung gelesen (»Doppelmord in ruhiger Nebenstraße von Oxford«).
»Es gibt immer noch keinen Hinweis auf ein mögliches Motiv«, sagte sie und wies auf den Artikel. »Wer um alles in der Welt wollte diese Leute aus dem Weg räumen?«
»In meiner Zeitung steht, dass es sich um ein Versehen handeln könnte. Der Mörder hat sich möglicherweise geirrt.«
»Kommen Sie in die Küche«, sagte Kate. Die Küchenstühle waren weniger bequem als die im Wohnzimmer, und sie wollte ihn nicht ermutigen, allzu lang zu bleiben. »Möchten Sie einen Kaffee?«
An diesem Morgen hatte sich Jeremy etwas mehr Mühe gegeben. Zumindest war er rasiert, gekämmt und trug frische Kleider. Als sie ihm jedoch seinen Kaffee reichte, verschüttete er einen großen Teil beim Absetzen der Tasse auf dem Tisch. Seine Augenringe waren noch dunkler geworden, als hätte er in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Sein Blick wanderte gehetzt und unstet durch das Zimmer. Ob er wach geblieben war, um sicherzugehen, dass niemand hinter ihm herschlich, um ihn zu ermorden?
»Kannten Sie die beiden gut?«, fragte Kate. Irgendwie musste sie das Gespräch in Gang bringen, sonst würde Jeremy vermutlich noch mittags stumm und mürrisch an ihrem Küchentisch sitzen.
»Nicht sehr. Wahrscheinlich nicht besser als Sie. Sie haben mich zwar öfter eingeladen, aber ich bin höchstens zwei, drei Mal hingegangen.«
»Fühlten Sie sich in ihrer Gesellschaft nicht wohl?«, erkundigte sich Kate. Wenn er die Fosters ebenfalls nicht wirklich kannte, würde er vermutlich auch nicht viel zur Klärung des Geschehenen beitragen können.
»Sie waren zwar ganz nett, aber wir hatten nur wenige gemeinsame Interessen. Außerdem kam es mir so vor, als ob Laura sich nur allzu gern in mein Leben eingemischt und es nach ihrem Gusto organisiert hätte.« Na endlich – wenigstens redete der Kerl jetzt, obwohl er hauptsächlich Banalitäten von sich gab.
»Stimmt. Mir ging es ähnlich.«
»Trotzdem war Laura immer sehr freundlich und kümmerte sich um alles. Man konnte sich in jeder Hinsicht auf sie verlassen. Ich glaube, wenn ich je in der Klemme gesessen hätte, wäre ich als Erstes zu Laura gegangen. Sie hätte zugehört und vielleicht sogar eine Lösung gefunden. Laura war ein sehr praktisch veranlagter Mensch; in vieler Hinsicht sogar praktischer als Edward.«
»Edward und sein Werkzeugkasten.« Kate nickte.
»Vielleicht war er, was das Reparieren betraf, doch nicht ganz so begnadet, wie er selbst von sich annahm«, sagte Jeremy mit einem kleinen Lächeln.
»Aber haben Sie irgendeine Ahnung, warum jemandem daran lag, sie umzubringen?« Sie musste ihn endlich auf das Thema bringen, sonst würden sie den ganzen Morgen wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen.
Eine Pause entstand. Jeremy fuhr sich mit der linken Hand durch
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