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Boeses Spiel in Oxford

Boeses Spiel in Oxford

Titel: Boeses Spiel in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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ist.«
    »Einverstanden.« Kate nickte. »Und danach streiche ich diesen Alec Malden aus meinem Gedächtnis und vergesse, dass ich je für Sie ins Bartlemas gegangen bin.«
    »Sie lernen schnell«, lobte Jeremy. Seine Stimme klang erleichtert.
    »Ich nehme an, Sie möchten jetzt durch die Hintertür und die Lücke im Zaun verschwinden – richtig?«
    »Ja bitte.«
    »Wünschen Sie, dass ich den Umschlag aufesse, nachdem ich den Datenträger abgeliefert habe?«
    »Mir ist es egal, ob Sie mich für verrückt halten«, sagte Jeremy, »solange Sie nur haargenau das tun, worum ich Sie bitte.«
    Kate entriegelte die Hintertür und sah ihm nach, wie er geduckt im Nachbargarten verschwand.
    Hätte sie Jeremy nicht tiefstes Schweigen zugesichert, hätte sie jetzt am liebsten Roz angerufen und ihr von dem hirnrissigen Auftrag erzählt. Roz hätte ihr bestimmt ins Gewissen geredet, den Umschlag sofort an Jeremy zurückzugeben, den Auftrag zu vergessen und sich bloß nicht einzumischen. Doch sie war längst involviert, und zwar gegen ihr besseres Wissen. Aber das stimmt doch gar nicht, ermahnte sie sich streng. Du betätigst dich lediglich als Postbotin. Sobald du die CD abgeliefert hast, ist alles vorbei und du kannst es vergessen.
    Kate holte ihre Jacke. Am besten, sie erledigte die Sache sofort.

6
    Kate ging zu Fuß zum Bartlemas College. Der Morgen war schwül, und sie trug ein leichtes Sommerkleid. Sie hatte sich für das schwarze mit dem weiten Rock entschieden, weil es eine tiefe, versteckte Tasche besaß, in der sie den Umschlag mit Jeremys CD verstauen konnte. So hatte sie die Hände frei, und niemand würde erfahren, dass sie etwas transportierte. Außerdem setzte sie eine dunkle Sonnenbrille auf. Die Geheimniskrämerei begann, ihr Spaß zu machen.
    Sie bahnte sich einen Weg durch die allmählich schwindende Zuschauermenge vor dem Haus Nummer 12, ohne auf die neugierigen Blicke zu achten, und folgte der Fridesley Road in Richtung Innenstadt. Auf der High Street verweilte sie kurz, um die Schaufensterauslagen ihrer beiden Lieblingsboutiquen zu begutachten, ehe sie der gepflasterten Gasse folgte, die zu Jeremys College führte.
    Kates Zeit am Bartlemas, während der sie Emma bei einem Sommerseminar über Genus und Genre zur Hand gegangen war, lag einige Jahre zurück. Der Pförtner am Eingang sah anders aus, als in ihrer Erinnerung – ein wenig jünger und deutlich uninteressierter an den Leuten, die das College betraten. Sie lächelte ihm flüchtig zu, passierte zielstrebig den Torbogen und betrat den ersten Hof. Dabei versuchte sie, so gelangweilt dreinzuschauen, als legte sie diesen Weg jeden Tag zurück.
    Sie kam an dem Magnolienbaum vorbei, der fast achtzehn Meter hoch an der Kapellenwand emporwuchs und beinahe ebenso breit wie hoch war. Er hatte seine violett angehauchten, wächsernen Blüten schon vor vielen Monaten abgeworfen und war jetzt mit glänzenden Blättern bedeckt. Als die Natur diesen Magnolienbaum schuf, hatte sie sich selbst übertroffen; etwas Ähnliches konnte man eigentlich nur noch beim Anblick eines Pfauenschwanzes empfinden.
    In einem zum Hof hin gelegenen Eckzimmer probte der Chor. Kate hörte, wie die klaren, jungen Stimmen eine bestimmte Phrase so oft wiederholten, bis der Chorleiter endlich zufrieden war. Sie kam durch einen weiteren Torbogen, sah das an einer Eichentür angebrachte Schild mit dem Hinweis: »Musikzimmer-Bitte Ruhe!« und blieb kurz stehen.
    Der Chor sang nicht etwa Bach oder Vivaldi – noch nicht einmal Pärt. Nein, es war ein Stück aus dem Musical Cats . Sollte die nächste CD etwa unter dem Titel: Der Bartlemas-Chor singt Andrew Lloyd Webber erscheinen? Und Kate, die außer zu Hochzeiten und Beerdigungen niemals in die Kirche ging, schüttelte entrüstet den Kopf ob eines solchen Niveauabfalls.
    Sie wandte sich nach rechts, ging an einer feuchten, mittelalterlichen Mauer entlang, passierte einen weiteren, etwas kleineren Bogen und trat in den sonnenbeschienenen Pesant Quad . Die Rasenfläche in der Mitte des Hofes war absolut gänseblümchenfrei, und an jeder Ecke gab es eine Tür mit einer in den Türsturz gemeißelten, römischen Zahl. Der Aufgang 4 – nein, korrigierte sich Kate, der Aufgang IV – befand sich unmittelbar zu ihrer Rechten.
    Die Treppe war schmal und in der Mitte von Tausenden Studentenfüßen abgenutzt, die über Jahrhunderte hinauf- und hinabgestiegen waren. Ein junger Mann kam Kate vom ersten Stock her entgegen. Er sah geradezu deprimierend

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