Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boeses Spiel in Oxford

Boeses Spiel in Oxford

Titel: Boeses Spiel in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
sauber und ordentlich aus. Kate ging davon aus, dass er eine Laufbahn im Rechnungswesen anstrebte. Ob er wohl ein geheimes Laster hatte? Kate vermutete, dass der Student zutiefst schockiert gewesen wäre, wenn man ihn auf so etwas auch nur angesprochen hätte.
    Als Kate den obersten Treppenabsatz erreichte, hörte sie Stimmen. Sie drangen aus einem Raum, dessen Tür unmittelbar vor ihr lag. War Alec Malden etwa nicht allein? Was sollte sie jetzt tun? Abwarten, bis er wieder allein war? Die Vorstellung, den ganzen Morgen im Bartlemas College herumzulungern und Däumchen zu drehen, gefiel Kate überhaupt nicht. Sie beschloss, ihre Mission zu Ende zu bringen. Wer weiß, vielleicht sprach Alec Malden ja in diesem lauten, fröhlichen Tonfall mit sich selbst – zum Beispiel, um für die nächste Rede zu üben, die er halten musste. Kate klopfte.
    »Ja?« Das allerdings war eine ruhigere Stimme als die, die sie eben aus dem Büro gehört hatte. Sie klang auch weniger fröhlich. Außerdem mochte Kate es nicht, wenn die Leute einfach »Ja« sagten. »Herein« klang doch viel freundlicher! Trotzdem trat sie ein.
    Im Zimmer hielten sich zwei Männer auf. Kate fand den Raum ausgesprochen hübsch. Er war fast quadratisch, hellgelb gestrichen, und an den Wänden standen Regale voller Bücher. Das Zimmer war weder unordentlich noch staubig, und sie konnte auch diesen Geruch nach gebrauchten Socken nicht feststellen, den sie immer mit den Arbeitszimmern von Akademikern in Verbindung brachte.
    »Ja bitte?« Der kleinere der beiden Männer wandte sich an Kate. Er war höchstens so groß wie sie selbst, sein Gesicht sah gelblich aus, und sein graues Haar ließ bereits viel Kopfhaut sehen. Er stand rechts von Kate, hatte einen schmalen Brustkorb und wirkte so in sich zusammengesunken, dass Kate ihm am liebsten geraten hätte, möglichst bald einem Sportverein beizutreten. Natürlich enthielt sie sich wohlweislich einer derartigen Bemerkung.
    »Hallo«, sagte sie heiter. »Ich heiße Kate Ivory und bin auf der Suche nach Alec Malden.«
    »Sie haben ihn gefunden«, antwortete das Männlein. Ein Dyspeptiker, dachte sie. Sie hatte zwar keine Ahnung, was das genau war, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es sich um einen handelte. Von seiner Nase zu seinem Mund zogen sich tiefe Falten, die ihm ein melancholisches, aber reizbares Aussehen verliehen. »Um was geht es?«, erkundigte sich Alec Malden. Kate hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass er drauf und dran war, auf seine Armbanduhr zu schauen und ihr mitzuteilen, sie solle sich beeilen, weil er nicht den ganzen Tag Zeit hätte.
    »Ich betätige mich lediglich als Kurier«, verkündete Kate leichthin und wünschte, dem anderen Mann würde einfallen, dass er noch dringend anderweitig zu tun hatte. »Ich habe Ihnen etwas von einem Ihrer Freunde zu geben.«
    »Das hört sich aber geheimnisvoll an«, sagte der andere Mann. »Erzählen Sie uns doch einfach mehr davon. Ich liebe alles Mysteriöse. Sagten Sie eben, Sie heißen Kate? Wie charmant!«
    Das war nun wirklich nicht die Reaktion, die Kate erwartet hatte.
    »Das ist unser Rektor Harry Joiner«, stellte Alec Malden kurz angebunden vor.
    »Ich glaube, ich kannte Ihren Vorgänger«, erklärte sie kühl. Sie zermarterte sich das Gehirn nach dem Namen, der ihr dann aber glücklicherweise gerade noch rechtzeitig einfiel. »Aidan Flint.«
    »Ach ja, der gute, alte Aidan«, sagte Harry Joiner leichthin. »Sie werden feststellen, dass ich aus ganz anderem Holz geschnitzt bin.«
    Harry Joiner war größer und dicker als Alec Malden, und er hatte runde, sehr rote Wangen. Seine Mimikfältchen ließen darauf schließen, dass er gern lachte. Alles in allem wirkte er überhaupt nicht wie ein Oxforder Professor, dachte Kate. Er sprach auch nicht wie ein solcher. Dem Dialekt nach zu schließen stammte er aus der Gegend östlich von Romford, hatte sich aber offenbar nicht die Mühe gemacht, seine Sprache ein wenig zu zivilisieren.
    »Ich gehöre zur neuen Garde«, fügte er hinzu, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Von Wirtschaft als Lehrfach verstehe ich herzlich wenig – nicht wahr, Alec? –, aber dafür weiß ich, wie man ein Unternehmen führt, das Profit abwerfen soll.«
    Alec sah aus, als hätte er in eine Zitrone samt Schale gebissen.
    »Vielleicht geben Sie mir einfach das, was Sie mitgebracht haben«, sagte er zu Kate.
    Kate war noch immer nicht überzeugt. »Die junge Dame fühlt sich nicht wohl, solange ich dabei bin.« Joiner

Weitere Kostenlose Bücher