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Boeses Spiel in Oxford

Boeses Spiel in Oxford

Titel: Boeses Spiel in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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besorgt.
    Kate hievte den Koffer aus dem Taxi, setzte ihn auf dem Bürgersteig ab und hängte sich ihre große Lederhandtasche über die Schulter. »Kein Problem«, keuchte sie.
    Die roten Rücklichter verschwanden in der engen Straße. Kein Mensch war zu sehen – Kate stand mutterseelenallein in der kühlen Augustnacht. Der Mond zeigte sich als schmale Sichel, und obwohl der goldene Lichtdunst der Stadt den Himmel im Osten erhellte, konnte sie einzelne Sternkonstellationen ausmachen, deren Namen sie leider nicht kannte. Doch – eine war ihr geläufig: Unmittelbar über ihrem Haus spreizte sich der Große Bär. Endlich war sie wieder zu Hause.
    Agatha Street Nummer 10 lag in der Mitte einer Ende des neunzehnten oder Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erbauten Reihe identischer Häuser. Immobilienmakler bezeichneten die Bauten gern als typisch für die Epoche – ohne allerdings näher darauf einzugehen, von welcher Epoche die Rede war.
    Nach den vielen Monaten, die sie nicht in Fridesley verbracht hatte, war Kate in der Lage, die Straße mit den Augen einer Ortsfremden zu sehen. Seit die Immobilienpreise stetig anzogen, hatte sich die ursprünglich etwas verwahrloste Umgebung gemausert. Die Agatha Street lag nur fünfzehn Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt (vorausgesetzt, man war in der Lage, forsch auszuschreiten), und inzwischen musste man einen gut bezahlten Beruf ausüben, um sich eines der Häuser leisten zu können. Ein wenig vermisste Kate den einst lebhaften Charakter der Straße, der früher von lärmenden Kindern, Skateboards und überquellenden Mülltonnen geprägt wurde. Auch die rostigen Autos, an denen ständig jemand herumreparierte, fehlten Kate beinahe, doch nichts schien den unaufhaltsamen Aufstieg von Fridesley stoppen zu können. Bald würde jedes Kind mit einem Geigenkasten herumlaufen und nur noch während der wenigen Sekunden sichtbar sein, in denen es von seiner Mutter oder einem Au-pair von der Haustür zum Geländewagen begleitet wurde.
    In allen Fenstern des Hauses rechts neben dem von Kate brannte Licht. Die Venns waren ausgezogen, was bedeutete, dass Kate sich an neue Nachbarn in Nummer 12 würde gewöhnen müssen. Die neuen Besitzer hatten sich nicht die Mühe gemacht, die Vorhänge zuzuziehen, und so konnte Kate beobachten, wie eine Gestalt das Zimmer im Erdgeschoss betrat. Stimmen und lautes Lachen waren zu hören. Es musste sich wohl um die Leute handeln, von denen ihre Mutter ihr berichtet hatte. Offensichtlich genossen sie das Leben in ihrem neuen Zuhause. Roz hatte in Kates Haus gewohnt, während Kate mit George zusammenlebte, und war mit den neuen Nachbarn nicht recht warm geworden. Kate fiel ein, dass die Leute Foster hießen, und sie fand, dass das hell erleuchtete Haus und die Lachsalven einen fröhlichen und beschwingten Eindruck machten. Zwischen der Trennung von George und ihrer Ferienreise hatte sie sich ihr Haus zwar eine Woche lang mit Roz geteilt, von den Nachbarn allerdings nichts bemerkt. Jetzt freute sie sich geradezu darauf, sie endlich kennen zu lernen.
    Das Haus zur Linken schien das genaue Gegenteil zu sein. Dort hatte man Jalousien anbringen lassen, durch die nur schmale Lichtstreifen nach außen drangen. Im Haus herrschte tiefe Stille. Die braunen Chintzvorhänge der alten Mrs Arden waren verschwunden. Auch hier schien ein neuer Nachbar eingezogen zu sein. Kate hatte nie besonders engen Kontakt zu Mrs Arden gehabt, die bereits in diesem Haus gewohnt hatte, als Kate in ihres einzog. Doch auf eine zurückhaltende, sehr englische Art hatten sie auf gutem Fuß miteinander gestanden. Kate hoffte, dass die alte Dame ihr Haus mit gehörigem Gewinn verkauft hatte und sich mit dem Erlös einen Lebensabend in einen luxuriösen Seniorenstift leisten konnte.
    Plötzlich flammte in der ersten Etage ein Licht auf. Kate hatte gerade ausreichend Zeit, um festzustellen, dass es sich bei dem Raum um ein Arbeitszimmer handeln musste, in dem der Schreibtisch mit dem Computer im rechten Winkel zum Fenster stand und von einer großen Grünpflanze überschattet wurde, als auch an diesem Fenster die Jalousie heruntergelassen wurde. Ein Mann, stellte sie fest, weder sehr alt noch blutjung, aber dann war da nur noch ein Schatten hinter der hellgrünen Jalousie.
    Wieder schallte Gelächter aus dem Haus rechts. Kate hatte den Eindruck, dass sich der Kopf hinter der Jalousie für einen kurzen Moment zu heben schien, als wäre er in einem Gedankengang unterbrochen worden. Aber das

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