Boeses Spiel in Oxford
mit einem gebrochenen Herzen aufgewartet hätte, damit er es flicken konnte. Allerdings waren seine Hände klein, weiß und dick; es bereitete Kate gewisse Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass er damit überhaupt etwas flicken konnte.
»Und das hier ist Jeremy Wells, ebenfalls ein Nachbar.«
»Ich habe vorhin bei ihm geklingelt und ihn auf einen Drink eingeladen«, erklärte Edward und ließ endlich Kates Hand los.
Kate schätzte den schwächlich wirkenden Jeremy Wells auf etwa Mitte dreißig. Als Kate ihm gegenübertrat, stand er auf, schüttelte ihr wohlerzogen die Hand und erkundigte sich höflich nach ihrem Befinden. Seine Hände waren lang und dünn und sein Handschlag längst nicht so fest, wie Kate es mochte. Er hatte so helles Haar, dass es fast grau wirkte, und seine haselnussbraunen Augen blitzten vor Intelligenz. Wahrscheinlich war er mit seinem leichten Körperbau und den hellen Farben ein sehr hübsches Kind gewesen, doch sein Kinn war für einen Mann zu weich und seine Züge zu unbestimmt für einen Erwachsenen. Er trug die verschlissenen, aber sehr sauberen Jeans und den dunkelblauen Pullover, die in Fridesley als Freizeituniform für Berufstätige galten. Kate war sich sicher, dass ihm in seinem Pullover ziemlich warm sein musste, denn im kleinen Kamin der Fosters brannte ein fröhliches Feuer.
»Ihr jungen Leute setzt euch am besten auf das Sofa«, schlug Laura vor und drückte Kate ein großes Glas Wein in die Hand. »Trinken Sie das. Nach Ihrer Reise haben Sie es sicher nötig. Wie steht es mit dem Appetit? Ich habe ein paar Kleinigkeiten vorbereitet, aber ich kann Ihnen auch gern ein Butterbrot machen, wenn Sie mögen.«
»Nett von Ihnen, aber nein danke«, sagte Kate. Das ganze Wohnzimmer war in Edelsteinfarben gehalten – saphirblau und smaragdgrün, rubinrot und amethystviolett –, und an den Wänden hingen ebenfalls Bilder. Das Sofa, auf dem sie mit Jeremy Platz genommen hatte, war granatrot und sehr bequem.
»Und wo wohnen Sie?«, erkundigte sich Kate.
»Ich bin Ihr Nachbar auf der anderen Seite; ich wohne in Nummer 8«, antwortete Jeremy. »Wir sind bereits seit fast sechs Monaten Nachbarn, aber irgendwie sind wir uns noch nie über den Weg gelaufen.«
»Ich war viel unterwegs«, bemerkte Kate, ohne genauer auf die Monate mit George Dolby, den Aufenthalt ihrer Mutter in ihrem Haus und ihre Rückkehr – ohne George – vor drei Wochen einzugehen. »Ich glaube, es gab höchstens eine Woche, in der ein Zusammentreffen möglich gewesen wäre.« Eine Woche, während der sie keine Lust auf Kontakte gehabt hatte. Sie hoffte, dass Jeremy genau wie sie selbst nicht der Typ war, der das Leben seiner Nachbarn bis ins Detail verfolgte. Bereits nach diesen wenigen Minuten in Gesellschaft von Laura und Edward verspürte sie das Bedürfnis nach ein wenig guter, altmodischer Verschwiegenheit. »Aber vielleicht haben Sie meine Mutter kennen gelernt«, fuhr sie fort. »Sie hat fast ein Jahr lang bei mir gewohnt und ist erst vor einer Woche in ihr eigenes Haus gezogen.«
»Dunkelrote Locken und ein knallgelbes Auto?«
»Genau. Allerdings fährt sie inzwischen ein etwas neueres Modell.«
»Wir haben uns ein oder zwei Mal freundlich zugenickt.«
»Diese Unverbindlichkeit in der Agatha Street wird sich jetzt schlagartig ändern«, unterbrach Laura. »Dafür werden wir sorgen. Wir halten nichts von verstaubter, englischer Zurückhaltung, nicht wahr, Edward?«
»Ganz und gar nicht. Wir alle sollten richtig gute Freunde werden.« Er lächelte Kate schelmisch an. Sein Spitzbart wackelte. »Das sage ich jungen Mädchen immer.«
Edward hatte eine so freundliche und offene Art, dass Kate nicht widersprechen konnte – noch nicht einmal der Tatsache, dass er sie als junges Mädchen bezeichnete.
»Ich habe gehört, dass Sie im Ruhestand sind«, sagte sie statt einer Antwort. »Was machen Sie mit Ihrer Freizeit?« Small Talk lag ihr zwar nicht, doch Edward und Laura zuliebe strengte sie sich ausnahmsweise einmal an. Dabei hatte sie den Eindruck, ein leises Lächeln über Jeremys Gesicht huschen zu sehen, als ob er ihr Bemühen bemerkt hätte.
»Ich werkele gern herum, wissen Sie«, antwortete Edward. »Basteln und Reparieren liegt mir irgendwie.«
»Wenn Sie irgendetwas auszubessern haben, fragen Sie einfach Edward«, warf Laura heiter ein. »Er kommt dann sofort mit seinem Werkzeugkasten und seinem Ölkännchen.«
»Ich mache mich gern nützlich«, fügte Edward hinzu, und seine blauen Augen über
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