Boeses Spiel in Oxford
konnte ebenso gut auch Einbildung gewesen sein. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass sie sich endlich wieder den Realitäten des Lebens widmete – wie zum Beispiel dem Schreiben eines Romans.
Langsam überquerte sie die Straße. Sie wollte den Augenblick auskosten, ehe sie das Gartentor öffnete. Stell dich deinem leeren Haus, Kate, forderte sie sich auf. Der Urlaub ist vorbei.
Kaum fünfzehn Minuten später klingelte es an der Haustür.
2
Kate öffnete. Vor ihr stand eine Frau, die sie noch nie gesehen hatte.
»Mein Name ist Laura Foster«, stellte die Frau sich vor. »Willkommen daheim in der Agatha Street.«
Sie war etwa ebenso groß wie Kate und ungefähr sechzig Jahre alt. Ihren erstaunlich kleinen Kopf zierte eine glatte Kurzhaarfrisur, die Kate an die dreißiger Jahre erinnerte. Mit ihren auffallend rot geschminkten Lippen lächelte sie Kate strahlend an. Die weit geöffneten Augen, die Kates Erscheinungsbild geradezu aufzusaugen schienen, waren blau und wirkten dank eines ebenfalls blauen Lidschattens und viel Mascara auf den Wimpern wie Puppenaugen. Laura Foster hatte sich in ein schwarzrotes Umschlagtuch gehüllt, das mit Perlen und Spiegelstückchen bestickt und mit Fransen verziert war und die Tatsache betonte, dass ihr taillenloser Körper von den schmalen Schultern angefangen, bis hin zu den ausladenden, in einem glockenförmigen Rock steckenden Hüften immer breiter wurde. Kate fühlte sich an ihre Nachttischlampe erinnert, zumal der Rock vom gleichen Blau war. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie an der Reihe war, etwas zu sagen.
»Das ist aber wirklich freundlich von Ihnen«, brachte sie hervor. Immerhin war es das erste Mal, dass jemand sie in ihrem eigenen Haus willkommen hieß.
»Wissen Sie, Edward und ich sind der Meinung, dass Sie gleich heute noch zu uns herüberkommen sollten. Eigentlich wollten wir Sie schon vor Ihrem Urlaub kennen lernen, aber Sie waren ja kaum zu Hause, als Sie auch schon wieder abgereist sind. Deshalb möchten wir gern heute auf Ihre Rückkehr anstoßen.«
»Ist es dazu nicht ein wenig zu spät?«, fragte Kate.
»Es ist gerade einmal viertel nach neun«, erwiderte Laura. Ihr spitzes Gesicht verzog sich zu einem heiteren Lächeln. »Der Abend hat doch gerade erst angefangen.«
Eigentlich hatte sich Kate darauf gefreut, eine schöne Tasse Tee aufzubrühen, sich auf ihr Sofa zu kuscheln und noch ein bisschen zu lesen, doch Lauras Lächeln wirkte ansteckend. Kate lächelte zurück und sagte: »Gut. Ich hole nur schnell meine Handtasche. Schließlich möchte ich mich nicht gleich am ersten Abend nach dem Urlaub aus dem Haus aussperren.«
»Es muss ganz schön hart für Sie sein, nach einer Partnerschaft wieder ganz allein zu leben«, sagte Laura mitleidig, während sie Kate von einem Garten in den nächsten vorausging. Ihr Gang wirkte ein wenig steif und erinnerte Kate an eine mechanische Puppe. Obwohl Laura eine Pause einlegte, als wolle sie Kate ermuntern, Stellung zu nehmen, behielt Kate ihre Gedanken über das Ende ihrer Partnerschaft geflissentlich für sich.
»Heute Abend sind wir nur zu viert«, fuhr Laura fort, »doch normalerweise steht unser Haus allen Freunden und Nachbarn offen. Wir haben es gern, wenn die Leute einfach mal vorbeischauen.« Und gerade, als Kate sich fragte, wie Laura so viele Leute bewirten wollte, fügte die neue Nachbarin hinzu: »Natürlich sind wir in solchen Fällen dankbar, wenn die Leute eine Kleinigkeit mitbringen – ein paar belegte Brötchen, einen Topf Hummus oder auch eine Tüte Chips.«
»Leider habe ich …«, begann Kate.
»Oh nein, heute Abend erwarte ich nicht, dass Sie etwas beisteuern«, unterbrach Laura sie. »Heute laden wir Sie ein.« Sie war kurz vor der Haustür stehen geblieben und senkte die Stimme. »Es tut mir so leid, dass es mit Ihnen und George Dolby nicht geklappt hat – oder sollte ich lieber sagen ›in die Hose gegangen ist‹?« Sie musste über den Ausdruck lachen. »Wir wollen auf keinen Fall, dass Sie einsam zu Hause sitzen und Trübsal blasen, meine Liebe. Wenn Sie das Gefühl haben, am Boden zu sein, kommen Sie einfach rüber zu uns.«
»Dann wissen Sie also von George und mir«, stellte Kate fest, während Laura die Haustür öffnete.
»Ich hoffe, das stört Sie nicht. Schließlich kennen Sie Fridesley – im Grunde geht es hier zu wie in einem Dorf. Wir wohnen zwar erst wenige Monate hier, aber wir wissen wirklich über alle und jeden Bescheid. Der Laden von Mrs Clack übernimmt hier
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