Boeses Spiel in Oxford
den rosa Wangen blinzelten ihr zu. Kate hatte den Verdacht, dass sie ihn geradezu enttäuschen würde, wenn sie nicht bei Gelegenheit mit einem verstopften Abfluss oder einem angeknacksten Stuhlbein aufwarten konnte. Dabei brauchte sie nur selten einen Handwerker, denn sie fühlte sich durchaus in der Lage, mit solchen Kleinigkeiten selbst fertig zu werden. Immerhin hatte sie erst im vergangenen Jahr eigenhändig passgenaue Bücherregale in eine Nische in ihrem Arbeitszimmer eingebaut.
Als wolle er Edward für Kates Fähigkeiten entschädigen, meldete sich jetzt Jeremy zu Wort. »Ich wünschte, ich hätte Ihre Begabung, Edward. Bei mir stehen seit Monaten jede Menge Regale samt den zugehörigen Halterungen herum, die nur darauf warten, endlich aufgebaut zu werden.«
»Dazu brauchen Sie einen Elektrobohrer«, erklärte Laura.
»Das klingt viel zu gefährlich für jemanden mit zwei linken Händen. Ich weiß nicht einmal, wie man so ein Ding benutzt«, erwiderte Jeremy.
»Ich zeige es Ihnen gern«, versprach Edward mit eifrigem Gesicht.
Jeremy lächelte nur. Kate argwöhnte, dass er seine Regale lieber ohne Hilfe vertikal als mit Hilfe horizontal sah.
»Laura hat erzählt, dass Sie gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt sind«, wandte Jeremy sich an Kate und rettete sie so vor der Aufmerksamkeit des Nachbarn. Im Vergleich zu Edwards dröhnendem Organ klang seine Stimme leicht und kühl.
»Ich habe zwei wundervolle Wochen in Frankreich verbracht.«
»Ach wirklich? Und wo, wenn ich fragen darf?«
»In Périgueux. Das ist eine hübsche, alte Stadt nicht allzu weit von Bordeaux.« Kate war Jeremy dankbar, dass er das Gespräch auf ein weniger persönliches Thema gebracht hatte, doch inzwischen schien auch Jeremy am Ende seines Vorrats an Small-Talk-Themen angekommen zu sein, denn er konzentrierte sich nur noch auf sein Weinglas. Kate überbrückte die Pause, indem sie weiterplauderte.
»Vorhin auf der Rückreise hatte ich ein witziges Erlebnis. Als ich aus dem Flugzeug steigen wollte, stand plötzlich vor mir ein Mann mit einer roten Perücke.« Die Perücke war natürlich kastanienfarben gewesen, aber für eine gute Geschichte durfte man ruhig ein bisschen übertreiben.
»Wahrscheinlich war er kahlköpfig«, wandte Laura ein.
»Aber er war jung. Und die Perücke hatte eine wirklich komische Farbe und war ganz offensichtlich aus Kunsthaar. Außerdem trug der Mann dicke Lederhandschuhe, obwohl es warm war …« Kate verstummte. Ihre amüsante, kleine Geschichte kam nicht an. Laura sah aus, als wäre sie drauf und dran, ein Rezept zur Förderung von Haarwuchs von sich zu geben, Edward starrte in die Gegend, und Jeremy beschäftigte sich immer noch intensiv mit seinem Wein. Kate wünschte, er würde mit einem anderen Gesprächsthema zur Unterhaltung beitragen. Wahrscheinlich war es ihm ordentlich auf die Nerven gegangen, dass man ihn so spät am Abend noch eingeladen hatte, um eine wildfremde Frau kennen zu lernen. Angesichts der Gutmütigkeit und Jovialität, die Laura und Edward ausstrahlten, war es fast eine Schande, wie wenig davon auf ihre Gäste abfärbte.
»Unsere arme Kate hat gerade eine sehr traurige Zeit durchlebt«, sagte Laura, als ob sie damit die pointenlose Perücken-Geschichte erklären könnte. Sie rückte mit ihrem Sessel ganz nah an Jeremy heran. »Aber wir werden nicht zulassen, dass sie sich vor Gram verzehrt, nicht wahr?«
Edward füllte mitleidig und stumm Kates Glas nach, obwohl sie noch kaum daran genippt hatte. Kate fragte sich, wie die Fosters sich den Luxus leisten konnten, ihren Wein so großzügig mit fast fremden Menschen zu teilen. Immerhin behaupteten sie, Rentner zu sein.
»Was ist denn passiert?«, fragte Jeremy pflichtbewusst und sah von seinem Glas auf. Sein leichtes Stirnrunzeln verriet Kate, dass ihn ihre emotionalen Probleme vermutlich nicht im Geringsten interessierten.
Sie öffnete den Mund, um »nichts weiter« zu sagen, doch Laura kam ihr zuvor. »Den Urlaub hatte sie bitter nötig. In der Woche, ehe sie abreiste, sah sie ganz verhärmt aus. Sie wollte vergessen, wissen Sie.«
»Also, eigentlich war es …«, begann Kate.
»Entschuldigen Sie, jetzt habe ich Sie aus der Fassung gebracht. Ich habe einfach ein viel zu loses Mundwerk und wieder einmal zu spät bemerkt, dass Sie es nicht mögen, wenn ich über diese Dinge rede, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Kate, aber nicht aus dem Grund, den Laura vermutete.
»Ich habe gehört, Sie sind Schriftstellerin«, sagte Jeremy
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