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Boeses Spiel in Oxford

Boeses Spiel in Oxford

Titel: Boeses Spiel in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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zwar nicht begeistert von dem Gedanken, doch zufällig hatte sie an diesem Abend nichts vor. Außerdem war ihr Sozialleben in der letzten Woche wirklich ein wenig zu kurz gekommen.
    »Wie wäre es mit einem Pub?«, schlug sie vor. »Ist Ihnen das sicher genug?«
    »Ich würde Sie lieber auf dem Volksfest treffen.«
    Kate hatte die St-Giles-Kirmes völlig vergessen. Jedes Jahr Anfang September kam das Leben im Stadtzentrum von Oxford zum Erliegen. Busse und Autos wurden durch Seitenstraßen umgeleitet, während die Straße St Giles unter dem Dröhnen von Generatoren erbebte und junge Oxforder kreischend die unterschiedlichsten Karussells ausprobierten.
    »Ich warte um halb neun an der Ecke St Giles und Beaumont Street am Taylorian auf Sie«, sagte Jeremy.
    »Einverstanden«, erwiderte Kate und notierte sich im Geiste Treffpunkt und Uhrzeit.
    Worauf hatte sie sich da nun wieder eingelassen?, fragte sie sich, als sie in ihr Arbeitszimmer zurückkehrte. Aber vielleicht gelang es ihr ja, durch bloßes Zuhören Jeremys Ängste zu besänftigen und ihn ein wenig zu beruhigen. Alec Malden und Harry Joiner schienen an Jeremys merkwürdige Art gewöhnt zu sein. Wer weiß, vielleicht war er ja in ganz Oxford für seine Spinnereien bekannt. Allerdings war ihr in Jeremys Geschichte eine Unstimmigkeit aufgefallen, nach der sie ihn unbedingt fragen musste. Die ganze Woche schon hatte sie darüber nachgedacht.
    Besagte Unstimmigkeit konnte nämlich durchaus bedeuten, dass Jeremy gar nicht so verrückt war, wie sie immer angenommen hatte, dachte Kate, während sie den Bildschirm auf die letzte Seite des Kapitels rollen ließ, an dem sie gerade arbeitete. Vielleicht war an seiner Geschichte ja tatsächlich etwas dran.

    Obwohl der September noch keine Woche alt war, fühlte sich die Luft so dunstig und kühl an wie im Herbst. Es war Abend, und Kate machte sich auf den Weg zu ihrer Verabredung mit Jeremy. Sie trug Jeans, Turnschuhe und eine warme Jacke und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jeremy allen Ernstes bereit wäre, sich mit ihr in den Klauen einer gigantischen Maschine in den Himmel von Oxford schleudern zu lassen.
    Sie lief an der dekorativen Fassade des Randolph Hotel und den eleganten Säulen des Ashmolean Museum vorbei die Beaumont Street hinauf. Der Lärm des Volksfestes war schon von Weitem zu hören. Menschenmassen drängten sich in Richtung St Giles. Man kommt sich vor wie in einem mittelalterlichen Albtraum, dachte Kate. Wenn man die Augen halb schloss und nicht jede Einzelheit genau sah, konnte man sich durchaus auf eine Art Zeitreise in die Vergangenheit begeben. Selbst der Geruch nach vielen Menschen auf engstem Raum dürfte damals nicht viel anders gewesen sein. Je näher sie dem Festgelände kam, desto intensiver roch es nach heißem Öl, gebratenem Essen und vielen Gewürzen, die den schalen Menschengeruch zu übertönen versuchten. Jetzt geht deine Schriftstellerfantasie wieder mit dir durch, dachte sie glücklich. Nicht ein einziges modernes Verkehrsmittel war in Sicht, und die Kulisse der aus grauem Stein erbauten und von Platanen beschatteten Colleges dürfte vor vielen hundert Jahren schon ganz genauso ausgesehen haben. Die Hand in Hand dahinwandernden oder an den Buden anstehenden Gestalten wurden von den Lichtern der Fahrgeschäfte so grell und bunt angestrahlt, dass Einzelheiten kaum noch zu erkennen waren. Sie hätten aus jedem beliebigen Jahrhundert stammen können. Die Szenerie wurde von der unterschiedlichsten Musik in allen Tonarten untermalt, nur noch übertönt vom Dröhnen der Generatoren.
    Als Kate die Ecke St Giles erreichte, stieg ihr aus den Buden aufdringlicher Essensgeruch in die Nase. Sie wandte sich nach links. Im Schatten des Taylorian Institute erblickte sie eine schmale Gestalt mit hellem Haar, doch erst als der Mann grüßend die Hand hob, erkannte sie Jeremy.
    Wummernder Lärm erfüllte ihren Kopf. Sie konnte kaum ihre eigene Stimme hören.
    »Müssen wir wirklich hier bleiben?«, fragte sie schreiend, um sich Gehör zu verschaffen.
    »In der Menge fühle ich mich einigermaßen sicher«, antwortete er. »Und mit den gesperrten Straßen können sie nicht flüchten.«
    »Dann lassen Sie uns wenigstens auf die andere Straßenseite gehen«, schlug Kate vor. »Da drüben ist es ein bisschen ruhiger – Sie wollten doch reden.«
    Als sie die Menschenmenge durchquerten, griff er nach ihrer Hand. Krakeelende Gruppen rempelten sie an und torkelten weiter, als wären sie

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