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Boeses Spiel in Oxford

Boeses Spiel in Oxford

Titel: Boeses Spiel in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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wünschte, er würde mit seiner Geschichte endlich vom Fleck kommen. Doch Jeremy schien trotz seiner eben noch an den Tag gelegten Nervosität keine Eile damit zu haben.
    »Damals gab es in Metford noch ein Gymnasium. Genau genommen zwei – eins für Jungen und eins für Mädchen. Nachdem ich mein halbes Leben lang darauf eingenordet worden war, dass es meine Pflicht und Schuldigkeit war, das Abitur zu bestehen, tat ich es auch. Irgendwo gibt es noch ein Foto von mir mit stolzgeschwellter Brust in einer nagelneuen Schuluniform. Neben mir steht meine Mutter, die so alt aussieht, dass sie ohne Weiteres auch meine Großmutter sein könnte, und blickt womöglich noch stolzer drein.«
    Kate rieb sich die Augen, die vom Zigarettenrauch gerötet und gereizt waren. Mit einem Mal verspürte sie den unbändigen Wunsch, die Lider zu schließen und sich vor Jeremys langweiliger Geschichte in ihre eigene, viel aufregendere Gedankenwelt zu flüchten.
    »Ich tat das, was man von mir erwartete.« Plötzlich sprach er lauter. Kate öffnete die Augen und hörte ihm wieder zu. »Während meiner gesamten Schulzeit tat ich immer das, was sich nach Meinung meiner Eltern gehörte. Ich spielte Kricket, obwohl es mir keinen Spaß machte. Ich lernte Geige, obwohl ich völlig unmusikalisch bin. Und ich legte sämtliche Prüfungen mit Auszeichnung ab und brachte nur gute Noten nach Hause.«
    »Und warum hört es sich für mich so an, als wären sie nicht glücklich darüber?«, fragte Kate.
    »Mein ganzer Weg war schon vorgezeichnet: das Gymnasium, die guten Noten, die Universität. Ich brachte es sogar zum Schulsprecher. Bestimmt existiert irgendwo noch ein Foto, auf dem ich mein Abzeichen trage. Als ich schließlich in Oxford zu studieren begann, ging es im gleichen Schema weiter. Bis eines Tages die Prüfungen anstanden.«
    »Sind Sie durchgefallen?«, fragte Kate, die selbst nie eine Universität besucht hatte, voller Mitleid.
    »Nein, nicht durchgefallen. Ich wurde nur Zweitbester.«
    Zweitbester gleich Zweitrangigkeit – so dachte Jeremy vermutlich darüber, obwohl die meisten Außenstehenden wahrscheinlich jeden beliebigen Abschluss in Oxford für eine Anerkennung hielten.
    »War das denn wirklich eine solche Katastrophe?«
    »Mein Vater war felsenfest davon überzeugt, dass ich als Bester abschließen würde. Doch ich merkte schon im zweiten Jahr, dass ich nicht die richtige Einstellung zum Studium finden konnte.«
    »Immerhin haben Sie es zum Akademiker gebracht. Bestimmt würden viele Leute Sie allein schon darum beneiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abschlussnote eine so große Rolle spielt.« Und was hatte das alles außerdem damit zu tun, dass Jeremy glaubte, von schießwütigen Männern verfolgt zu werden?
    »Ich gehöre nicht einmal zum festen Lehrkörper meines Colleges«, sagte Jeremy.
    »Ist das denn so wichtig?«
    Er sah sie an, als wäre sie es, die nicht ganz richtig tickte. »Ja natürlich!«
    »Dann geht es also um Geld? Oder um Ansehen?«
    »Um beides. Ich bin Lektor und stehe damit am untersten Ende der Hierarchie. Ich werde dafür bezahlt, dass ich den Studenten die Teile des Lehrplans beibringe, von denen die anderen nichts verstehen, und ich darf mich nur während des Semesters auf dem Campus aufhalten. Einmal in der Woche ist es mir gestattet, mit den Herren Professoren zu speisen.«
    »Ist doch prima«, sagte Kate, die Selbstmitleid nicht ausstehen konnte.
    »Sie finden immer noch, dass es keine Rolle spielt?«
    »Im großen Weltenlauf? Nein, nicht die geringste.«
    »Aber wir sind hier in Oxford. Und Oxford ist die einzige Welt, die ich kenne.«
    Dann ist es höchste Zeit, dass du in die Welt hinausgehst und lernst, dass du für dein Leben ganz allein verantwortlich bist, dachte Kate bösartig. Immerhin hast du einen zufriedenstellenden Job in einer wunderschönen Stadt und Geld genug, um dir ein Haus, Kleidung und Essen leisten zu können. Doch sie war höflich genug, solche Gedanken nicht laut auszusprechen.
    »Ich finde, Ihnen geht es gar nicht so schlecht«, sagte sie schließlich. »Haben Sie denn keine Freunde? Mit Freunden erscheint das Leben oft erträglicher – die Erfahrung habe ich selbst immer wieder gemacht.«
    »Ich glaube, mir fällt es nicht gerade leicht, Freundschaften zu schließen. Sie haben dafür ein Talent, das mir abgeht«, sagte er und klang dabei, als missbilligte er ihre Art von ganzem Herzen. Wahrscheinlich tat er es auch.
    »Sie sind Mitglied im Lehrkörper eines

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