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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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ein Donner. Er rollte über den Himmel und verlor sich wie ein Echo. Ich stellte mir vor, dass ein Blitz direkt in unsere Schule fuhr. Direkt hier in dieses Büro.
    »Ich ziehe mich in dem Schuppen immer um«, sagte ich, »vor der Schule und nach der Schule.«
    »Du ziehst dich da um?«, rief Dr. Simonis entsetzt. Offenbar dachte er an den Text zu den Fotos: »Svetlana wird unser neuer Pornostar!«
    »Die Kleidung, sagte ich, ohne auf ihn zu achten, »ist in der Kiste. Hier.« Ich ging nun um den Schreibtisch herum, zeigte auf den Bildschirm. »Da können Sie sie sehen. Der Deckel ist geöffnet. Ich hab alles in Plastiktüten, damit es nicht den Geruch der Kiste annimmt. Alle Sachen in Plastiktüten.«
    »Was denn für Sachen?«, rief der Direktor verzweifelt. »Warum hast du deine Sachen denn nicht zu Hause? Ich meine, es ist... verwunderlich, aber es ist ja nicht...«
    … nicht verboten, ergänzte ich im Stillen.
    Und laut: »Weil das alles geklaut ist! Und weil ich nicht wollte, dass meine Mutter es bemerkt.«
    Niemand atmete, ein weiterer Donner ertönte, näher diesmal. Die ersten Tropfen klatschten laut gegen die Scheiben.
    »Geklaut?«, wisperte Ravi.
    Jetzt sah ich ihn an. Ich sah ihm in die Augen, für den Bruchteil einer Sekunde. Ich nickte.
    »Das verstehe ich nicht!«, rief Dr. Simonis. Er raufte sich die Haare. Sie standen ihm wild um den Kopf. Es sah komisch aus. Aber ich konnte nicht darüber lachen.

    »Heißt das«, fragte der Direktor mit beherrschter Stimme, »dass du Kleidungsstücke gestohlen hast?«
    »Geklaut, gestohlen... ist doch eins«, erwiderte ich. »Und nicht nur Klamotten. Auch Parfum, Make-up, alles, was man braucht.«
    »Wofür denn braucht?«, schrie Ravi. »Warum hast du das gemacht?«
    Wieder sah ich ihm in die Augen. Er sollte in meinem Gesicht lesen, was ich dachte.
    Ich habe es auch für dich getan. Für uns, damit du dich nicht für mich schämen musst.
    Damit ich beim Mittagessen an deinem Tisch sitzen darf. Damit dich niemand auslacht, wenn du mit dem hässlichsten Mädchen der Schule ausgehst.
    Ich straffte mich, ich holte tief Luft. Blickte den Direktor fest an.
    »Es tut mir leid«, sagte ich, »dass ich Ihnen und Ihren Kollegen Schande bereitet habe. Ich weiß, dass Sie mich jetzt von der Schule weisen müssen. Es ist in Ordnung. Ich habe es verdient. Ich möchte, dass Sie meinen Namen aus dem Schulregister löschen. Dann ist es so, als wäre ich nie hier gewesen. Als hätte ich nie das Ansehen des Gymnasiums beschmutzt. Und alles kann so weitergehen wie bisher.«
    Ich habe dem Direktor die Hand gegeben und er, ganz verdutzt, hat sie genommen. Ich wollte auch Dr. Simonis die Hand geben, aber er schüttelte nur abwehrend den Kopf.
    Ravi hat mich angestarrt wie einen Geist. Er stand ohne jede Regung.
    Aber ich hab einfach meine Arme um seinen Hals gelegt und ihn geküsst. Auf den Mund.
    Heute noch ist es für mich wie ein Wunder, dass er sich
nicht weggedreht hat, dass er mir erlaubte, ihn auf den Mund zu küssen.
    Wenn ich die Augen schließe, kann ich heute noch seine weichen Lippen fühlen.
    Danke, Ravi.
    Du bist ein guter Mensch.

A slan Üzgül war wütend. Er war so wütend, dass er beim Gehen laute Flüche ausstieß. Schweinewörter. Hundewörter. Eigentlich ist Aslan ein sanfter und freundlicher Mensch. Ein Schneider, der bei seinen Kunden beliebt ist, weil er für das Kürzen von Herrenhosen und das Umsäumen von Röcken weniger nimmt als der Änderungsschneider auf der anderen Seite der Straße. Weil er außerdem immer ein freundliches Wort für jeden hat, und an kalten Tagen gibt es Tee für die Kunden, die sich aufwärmen wollen.
    Doch heute musste er mit seiner Wut fertig werden. Seine Frau hatte Schuld! Sie hatte Mehmet, den Sohn, seit seiner Geburt immer nur verwöhnt. Hatte ihm immer nur jeden Wunsch von den Augen abgelesen, ihm alles gekauft, was er wollte, hatte ihm sogar im Winter eine Wärmflasche ins Bett gelegt... Und als Dank wirft der verwöhnte Herr Sohn den neuen Schulranzen aus dem Fenster! Aus dem fahrenden Zug!
    Und setzt sich wieder hin, als wäre nichts! Als könnte man sich als siebenjähriger Bengel so etwas erlauben!
    Ohne einen Gedanken daran, wie lange der Vater wohl arbeiten muss, um einen neuen Ranzen zu kaufen.
    Nur weil die Lehrerin ihm im Diktat eine Fünf gegeben hat!
    Ja, wenn er mehr geübt hätte, der faule Kerl. Schlau wird man nicht im Schlaf. Da muss man schon was tun.
    Und der Junge kann sich nicht einmal erinnern, auf

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