Bokeh
ganz besonders.“
„Und genau deswegen werde ich dir nichts erzählen.“ Sinnlos, ihr weiterhin was vorzuspielen. Sie hat mich durchschaut. Aber alles muss sie nicht wissen. Sicher, sie steht mir nahe. Viel näher als irgendein anderer Mensch. Sogar näher als meine Eltern. Lisa war immer für mich da, mal fürsorglich, mal gnadenlos. Sie hat mich vorangetrieben. Natürlich nicht aus reiner Selbstlosigkeit, dahinter steckt eine gute Portion Eigennutz und ein Dollarzeichen in den Augen.
Aber sie war es, die mich in den Arm genommen hat, wenn ich es brauchte. Ich war siebzehn, verknallt und ziemlich dumm. Liebeskummer von der ganz harten Sorte. Meine Eltern hätten mit mir nichts anfangen können, wir hatten uns damals schon viel zu sehr entfremdet. Mein Vater gibt nach wie vor bei seinen Kollegen in der Spedition gerne mit mir an, verschweigt natürlich die Modeaufnahmen von mir als Frau. Meine Mutter findet es nach wie vor abartig und schweigt das Thema einfach tot. Meinen monatlichen Scheck nimmt sie gerne und sitzt mit ihrer Kaffeerunde vergnügt in ihrem großzügigen Wintergarten, den ich finanziert habe.
Lisa ist auch nach Italien geflogen, als ich Ärger mit dem dortigen Modelagenten hatte und mir klingeln jetzt noch die Ohren, wenn ich daran denke, wie sie ihn zusammengefaltet hat. Sie steht hinter mir oder an meiner Seite, wenn ich es brauche, ich habe viele Gründe ihr zu vertrauen. Nur traue ich prinzipiell niemandem.
Lisa verzieht die dunkelroten Lippen zu einem Schmollmund.
„Hör mir mal zu, mein Hübscher: Wenn du nicht willst, dass ich dir nur noch miese Aufträge verschaffe, rückst du raus mit der Sprache und du weißt haargenau, dass ich schweigen kann, wenn es nötig ist.“
Unwillkürlich entkommt mir ein Seufzen. Es ist verlockend, darüber zu reden, ihr mein Herz auszuschütten. Wir sprechen über so vieles, ich habe ansonsten keine Geheimnisse vor ihr. Nur dieses … Es ist mein intimstes. Meine große Schwäche. Ich mache mich angreifbar auf einer Ebene, die mir nicht behagt. Andererseits ist Lisa vertrauenswürdig. Aber ich weiß nicht ...
„Da läuft nichts.“ Mein Seufzen ist echt und in Lisas Augen flackert es kurz auf. Demaskiert, und wirkliche Besorgnis taucht auf. Mein Hals ist plötzlich eng.
„Ach komm Joschi. Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass da nichts läuft? Das würde dir nicht einmal meine Großmutter glauben, wenn sie nicht fünf Meter unter der Erde liegen und vor sich hinrotten würde.“ Sie macht eine wegwerfende Geste und stellt das Glas ab. Ihrem Blick kann ich nicht mehr entkommen und auch sie hat meine Lücke erkannt.
„Nein, auch wenn ich es gerne so haben würde, da läuft nichts“, erkläre ich. „Dirk ist ein genialer Fotograf, der Beste, den ich kenne.“ Die Enge in meiner Kehle erschwert mir zu atmen, die Worte quetschen sich nur mühsam vorbei. Viel zu leise ist meine Stimme: „Aber wenn er mich nicht durch seine Kamera anschaut, existiere ich praktisch nicht.“
„Liebling, der ist hetero, was willst du? Nicht jeder Kerl in unserer Branche steht auf Männer. Viele, aber eben nicht alle.“ Sie nickt wissend mit einem hintergründigen Lächeln.
„Ist er nicht, er ist bi“, widerspreche ich.
„Dann steht er eben nicht auf blond und androgyn. So what? Shit happens.“
Mir entkommt noch einmal ein unkontrolliertes Seufzen und ich reibe mir die Stirn. Ich mag diese Gedanken nicht. „Haargenau das wird es sein.“
Lisa schluckt und schaut mich beinahe erschrocken an. Ihre Hand liegt auf meinem Knie. „Ach herrje, so ernst ist es?“
„Scheint so.“ Wozu noch schauspielern? Sie hat es gesehen. Der Kloß in meinem Hals drückt und ich habe das Bedürfnis, ihn loszuwerden.
„Herzchen.“ Lisa ist aufgestanden und hat sich seitlich auf die Lehne gesetzt. Ihre Arme umschlingen mich und ich gönne mir den Luxus, einen Moment die Augen zu schließen. Haargenau so hat sie mich auch damals gehalten. Alles wiederholt sich. Nur bin ich jetzt erwachsen, ich muss damit selbst klarkommen.
„Erzähl“, fordert sie. „Ich will mehr wissen. Alles.“
11 Blitzlicht
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ist eine einseitige Sache.“ Natürlich legt sie den Kopf skeptisch zur Seite. „Verarsch mich nicht. Du rennst diesem Knipser nicht drei Jahre hinterher und es passiert nichts.“
„Doch.“ Ja, das ist beschämend und ja, meine Wangen fühlen sich ein wenig zu warm an. „Er … bemerkt mich nie.“
„Joschi!“ Lisa
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