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Bokeh

Bokeh

Titel: Bokeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Schatten zum Verbergen, keine Chance, sich hinter Gesten zu verstecken. Ich fühle mich gänzlich nackt und total unwohl in meiner Haut. Warum macht er das?
    „Was ist?“ Komisch klinge ich. Gar nicht Joschilike. Viel zu ...
    Dirk streicht sich über das Kinn. Leises Kratzen über Bartstoppeln. Sein Blick wandert, aber immer nur über mein Gesicht. Ruckartig dreht er sich weg, dem Laptop zu. Sein Finger gleitet schnell über das Touchpad, ein harter Anschlag. Eine Großaufnahme von mir erscheint. Mein Gesicht. Große, hellbraune Augen, feuchte Haare, eine feine Strähne klebt am Kinn. Keins der Bilder von heute Morgen.
    Ach du Schreck , das hat er vorgestern aufgenommen. Auf dem Weg zwischen den Steinen. Als ich …
    „Das Foto …“ Dirk deutet auf den Bildschirm. „Dein … Blick … “
    Oh scheiße. Ich schmachte ihn an. Meine Augen verschlingen ihn geradezu. Man sieht die Herzchen darin, das Verlangen, die Gier, die Sehnsucht. Ganz offen, ohne Tarnung. Entblößt. Mist, Mist, Mist.
    „Was …?“ Er atmet schwer. „Was hat das zu bedeuten?“

    18 Enttarnt

    Ich starre auf das Foto.
    Das bin ich und bin es auch wieder nicht.
    Oh Mann, mir wird heiß und kalt. Wieso musste er genau in dem Moment abdrücken, warum habe ich nicht besser aufgepasst?
    Das bin nicht ich. Nicht wirklich, nicht der beherrschte Joschi, der den Betrachter für ein Werbefoto wirkungsvoll anhimmelt.
    Das ist ein Joschi, der seinen unerreichbaren Traum von Fotografen anschmachtet. Nicht gespielt. Nicht inszeniert. Echt.
    Aber das weiß Dirk zu meinem Glück ja nicht.
    „Ist doch sehr gut geworden.“ Die Stimme perfekt im Griff, jedes innere Zittern gut verborgen. Ich bin Profi. „Das Kinn vielleicht ein wenig zu tief, die Stirn zu sehr im Blickfeld. Naja, und die nassen Haare ...“
    „Das meine ich nicht“, unterbricht mich Dirk sofort erregt. „Dieser … Blick ...“
    „Vielleicht ein bisschen zu übertrieben ...“ Ich schaue ihn nicht an. Nur das Foto.
    Ich kann es doch nicht zugeben. Auf gar keinen Fall. Was würde er von mir denken? Auslachen würde er mich, bestenfalls bemitleiden. Oh verdammt, warum habe ich nicht besser aufgepasst? Er soll und darf mich nicht so sehen.
    „Du … siehst aus, als ob ...“ Dirk kaut auf der Unterlippe herum. Ich beobachte ihn verstohlen von der Seite. Daher kommt also diese Stelle. Das muss er schon vorher gemacht haben. Hat er das Foto bereits länger angesehen? Und sich dazu Gedanken gemacht? Mein Herz schreit gequält auf.
    Was soll ich jetzt nur tun? Wie komme ich da elegant wieder heraus? Was wird er von mir denken, wenn ich es ihm einfach … sage?
    Nein. Völlig unmöglich. Das würde alles zwischen uns zerstören. Morgen will und muss ich wieder mit ihm zusammenarbeiten und in Zukunft auch. Nein, ich kann es nicht tun. Nichts darf sich ändern.
    „Dieser … Dein Ausdruck, ist der … echt?“ Verlegen schaut er mich an, ich kann nicht ausweichen. Ein verunsicherter Dirk. Eine heftige Anwandlung von Zärtlichkeit überkommt mich. Nichts würde ich lieber tun, als es ihm ins Gesicht zu sagen, es hinauszuschreien, ihm die Wahrheit wild ins Hirn küssen.
    Viel zu kompliziert. Ich würde alles verlieren, alles kaputtmachen. Ich kann es nicht.
    Innerlich wimmere ich, krümme mich zusammen. Die Lüge will nicht von meinen Lippen, brennt wie Säure in meinen Eingeweiden. Ich kann ihn nicht ansehen, schaue starr auf das verdammte Foto.
    „Nein, natürlich nicht. Was denkst du denn?“ Jedes Wort zerfetzt mein Innerstes, reißt mich entzwei. Ich treibe das Messer noch tiefer in die Wunde. Schmerz im Herzen, in der Lunge, in jedem Knochen. „Ich bin ein guter Schauspieler. Weißt du doch.“
    Ich kriege keine Luft. Am liebsten würde ich mich zusammenrollen und sterben. Er sieht mich an, schaut in mich, durchbohrt mich. Lange halte ich dem nicht stand. Wenn er nicht bald geht … Nein, nein, nicht vor ihm. Du wirst nicht schwach sein, du wirst dir nichts anmerken lassen. Unter gar keinen Umständen.
    „Hauptsache, du bekommst ausdrucksstarke Fotos. Dafür bin ich doch da.“ Er sagt nichts, rührt sich nicht. Hat er es geschluckt? Ich kann den Kopf nicht heben, viel zu schwer. Will zu Boden sinken. Will sterben. Bitte geh endlich. Lass mich alleine.
    „Hm“, macht er, der Mauszeiger kreist über meinen Haaren. Ich wünschte, er würde dieses Foto löschen. So will ich mich nicht sehen, so soll mich niemand sehen.
    Endlich steht Dirk auf, klappt den Laptop zusammen. Ich kann ihn

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