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Bokeh

Bokeh

Titel: Bokeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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schönen, stolzen Mann übrig, der immer lächelt, so begehrenswert ist, sexy und ein wenig verrucht. Einen schwachen Mann wird niemand je ernst nehmen, das habe ich früh gelernt. Ich mag körperlich ein wenig schwächlich wirken, aber ich bin innerlich viel härter als jeder andere.
    Kinn hoch, Schultern straffen, den Blick geradeaus und die Hüfte in Bewegung. Auf geht es zum Mittagessen mit Dirk.
    Ich absolviere es mit Bravour und gewinne endlich meine Sicherheit zurück. Ich scherze mit ihm, ich lache, ich bin Joschi, der gute Zuhörer, der charmante Unterhalter. Ich bin gut.
    Den Nachmittag verbringe ich auf meinem Zimmer. Ich habe „vergessen“ ihm seine Jacke zurückzugeben und nun liegt sie unter der Bettdecke. Morgen Früh werde ich sie ihm geben.
    Zum Glück gibt es hier englische Sender und ich vertreibe mir die Zeit mit irgendwelchen Filmen. Schon zweimal hatte ich das Handy in der Hand und überlegt, Lisa anzurufen. Aber eigentlich will ich gar nicht reden oder gar erklären müssen. Oder mich verteidigen. Ich will meine Ruhe haben, nicht an morgen denken, nicht an die Tage danach. Ohne ihn.
    Mit ihm zu sein kostet mich unglaublich viel Kraft, ohne ihn zu sein, raubt mir den Verstand. Es wird Zeit, dass ich einen neuen Job annehme. Viel Arbeit, wenig Zeit zu denken. Partys, Klatsch und Ablenkung. Das ist mein Leben, darin finde ich Sicherheit. Das ist Joschi, die Schlampe. Das bin ich.
    Es klopft an der Tür und ich schrecke hoch. Muss eingedöst sein, denn draußen zeigt sich schon der Abendhimmel. Müde streiche ich mir über das Gesicht. Einmal Luft holen, Nacken straffen. Wer will denn was von mir?
    Dirk.
    Er steht vor meiner Tür, ein Laptop in der Hand, die Haare zerzaust und sein Blick … Flammen, Glut; verbrennt mich. Unwillkürlich weiche ich zurück. Eis im Magen, Gummi in den Knien. Was ist passiert? Panik kocht mein Herz zu Brei.
    „Joschi ...“ Seine Stimme ganz heiser, der Blick unstet. Was ist nur los?
    „Alles klar?“ Viel zu unsicher kommt das. Das kannst du besser. Ich lächle, alles sitzt. Ein pikiertes Hochziehen der linken Augenbraue. „Gibt es ein Problem?“
    „Ich ...“ Dirk zögert, leckt sich über die Lippen. Hat er sie sich aufgebissen? Da ist eine kleine, blutige Stelle ...
    „Darf ich einen Moment reinkommen?“
    „Klar.“ Mein Blick huscht zum Bett. Nicht zu sehen. Was, wenn er die Jacke abholen will? Oh shit. Die Jacke? Na so was, ich muss sie aus Versehen wohl zugedeckt haben.
    „Ich habe die Bilder bearbeitet“, erklärt Dirk und platziert den Laptop auf dem Couchtisch. „Wie erwartet, richtig Gute dabei. Licht, Landschaft, alles hat gestimmt.“
    Ich fühle mich unbehaglich. Irgendetwas ist in der Luft. Dirk sieht mich seltsam an. Er sieht mich an. Ganz direkt. Und mir scheint, er will etwas Bestimmtes in meinem Gesicht entdecken. Da gibt es nichts zu sehen. Nur ein vages, unverbindliches Lächeln.
    „Du machst immer fantastische Fotos“, versuche ich charmant und setze mich neben ihn. Nicht zu nahe, kein Risiko eingehen. Den Rücken gerade, ganz selbstbewusst und lässig.
    Schon wieder dieser Blick. Forschend, viel zu intensiv. Das bin ich nicht gewöhnt. Schwer dabei die Form zu wahren.
    „Wie sind die im Wasserfall geworden?“ Ich lache. Mist, etwas zu künstlich. „Ich hoffe, ich habe mir nicht umsonst die Eier abgefroren.“
    Sein Lächeln wird breiter und er schüttelt energisch Kopf. Endlich wendet er den Blick ab und ich entlasse unbemerkt den Atem. In mir kribbelt es nervös.
    „Schau. Die sind wundervoll geworden.“ Er zeigt sie mir.
    Wow. Dirk ist einfach der Beste, der begabteste Fotograf, den ich kenne. Irre. Das bin ich? Ich sehe einen jungen Mann, herrlich androgyn, fragil wirkend, inmitten schroffer Felsen, weich gezeichnet durch das Wasser, eingehüllt in warmes Licht und fließende Haare. Wahnsinn. Wie hat er das hinbekommen? Ich sehe … seltsam aus. Etwas ätherisch, eigentümlich entrückt.
    „Perfekt“, murmelt Dirk. „Einfach perfekt.“ Sein Blick ist auf die Fotos gerichtet, der Mauszeiger kreist um mein Gesicht. Streichelnd, verharrt auf den Lippen. Dirk richtet sich ruckartig auf und sieht mich an.
    Nicht an mir vorbei. Direkt in meine Augen.
    Ich schlucke verstohlen. Warum macht er das? Was ist hier los?
    Ich weiß nicht, ob mein Lächeln gut genug sitzt. Mein Herz jedenfalls wummert gefährlich schnell. Was zur Hölle ist das?
    Ewig lange sieht er mich so an. Keine Kamera zwischen uns und keine Sicherheit, keine

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