Bold, Emely
an den Strand. Der Blutdurst stand ihnen ins Gesicht geschrieben, doch die mächtige Stimme der Ältesten wurde vom Wind bis zu ihnen an den Strand getragen:
‚Nehmt diese mächtigen Kinder unseres Volkes. Um den Frieden zu wahren, werden sie euch folgen. Nie wieder werdet ihr eure Boote besteigen und nach Fair Isle kommen. Das Meer würde euch verschlingen. Geht jetzt.‘
Das hatten die Krieger nicht erwartet und es gab Unruhen unter den Männern, denn einige wollten unbedingt einen Kampf. Da verdunkelte sich der Himmel. Blitze zuckten über die aufgewühlte See. Verunsichert blickten die Männer hin und her, ehe sie die acht Mädchen packten, auf ihre Boote verschleppten und die Insel verließen.“
„Wow, was für eine Geschichte!“
Roy lachte. Er stand auf, faltete seine Zeitung zusammen und zog seine Jacke an.
„So, jetzt muss ich aber wirklich los. Wir können gerne später weiterreden.“
Wie einfach es ihm fiel, wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren. Ich sah noch immer die ängstlichen Mädchen vor mir, deren Schicksal es gewesen war, ihre Heimat zu verlassen, um das Leben ihrer Familien zu schützen. Stelle dich deinem Schicksal. Diese Mädchen hatten es getan. Was hatte es für sie bedeutet? Und was mochte es für mich bedeuten? Roy hatte schon seine Tasche unter dem Arm und steckte nur noch kurz seinen Kopf zur Küchentür herein.
„Bin dann weg. Mach dir einen schönen Tag.“
„Roy? Sag mal, was bedeutet eigentlich mo luaidh?“, rief ich ihn zurück.
„Mo luaidh? Das bedeutet mein Schatz . Wie viele Ketten mit gälischer Inschrift hast du denn noch?“, wollte er scherzhaft wissen.
Ich zwinkerte verschmitzt.
„Keine weitere Kette.“
„Aye, ach so!“, grinste Roy wissend.
Dann war er zur Tür hinaus und ich saß grinsend wie ein Honigkuchenpferd am Küchentisch. Mein Schatz. Ich war also sein Schatz. Na, das fand ich ja mal so richtig gut!
Kapitel 10
Payton preschte hinter seinem Bruder her. Beide flogen auf ihren Maschinen über die gewundene Straße. Motorradfahren war ihrer beider Leidenschaft. Sean legte sich so tief in die Kurve, dass sein Knie beinahe den Asphalt berührte. Auch Payton drehte den Gashebel noch weiter auf und tat es seinem Bruder nach. Seit dem Morgengrauen waren sie schon unterwegs und hatten noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Payton hatte Sean beinahe eingeholt. Als er auf gleicher Höhe war, riss er das Lenkrad hoch und zog auf dem Hinterrad an ihm vorbei. Dann bog er vor Sean in einen Parkplatz ein und stellte seine Maschine ab. Auch Sean stieg ab und klopfte seinem kleinen Bruder im Vorbeigehen auf die Schulter.
„Gar nicht so übel. Wenn du noch hundert Jahre übst, könntest du so gut sein, wie ich.“, feixte Sean.
„Und ich glaube, dass du etwa in hundert Jahren bemerken wirst, dass ich dich all die Jahre habe gewinnen lassen.“
Payton mochte diesen Schlagabtausch mit seinem Bruder. Sie standen nicht wirklich in Konkurrenz, aber trotzdem endete jede gemeinsame Fahrt in einem Rennen. Doch nun war beinahe Mittag und er hatte mit Sean einiges zu besprechen. Mit ernster Stimme fragte er deshalb:
„Also, was gibt es Zuhause so Wichtiges, dass Nathaira den Clan zusammenruft?“
„Neulich ist etwas Merkwürdiges passiert.“
Sean hatte etwas Zeit gehabt, um über das Geschehene nachzudenken, trotzdem hatte er Schwierigkeiten damit, es seinem Bruder zu beschreiben.
„Es war so, ich wollte Blair ärgern. Er polierte an seinem Bentley herum und ich dachte, eine kleine Schotterdusche würde ihn wütend machen. Doch leider ging die Sache nach hinten los. Ich rutschte weg und landete unter dem Moped.“
Payton zog eine Augenbraue nach oben.
„Wie gesagt, ich lasse dich gewinnen. Du fährst in Wirklichkeit richtig schlecht.“
„Nein, im Ernst. Ich habe also einen Abflug gemacht, und starb dann fast vor Schmerzen. Echte Schmerzen!“
Seans Gesicht war anzusehen, wie unglaubwürdig er seine eigene Geschichte fand. Und auch Payton war plötzlich ganz blass.
„Schmerzen?“, fragte er.
„Ja, wirklich! Frag Blair. Der fand das so ungemein lustig, dass er sich kaputt gelacht hat. Findest du das nicht auch sehr merkwürdig?“
„Ja. Ich frage mich, ob das alles zusammenhängt?“
Tief in Gedanken versunken rieb sich Payton die Stirn und murmelte vor sich hin. Sean beobachtete seinen Bruder kurz, doch da dieser anscheinend nicht gewillt war, seine Gedanken zu teilen, hakte er nach:
„Was hängt wie
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