Bold, Emely
Tages in der Lage sein, deine Geschichte zu verstehen. In der Hoffnung, du mögest durch diese Zeilen in der Lage sein, deinen Weg zu gehen, dein Leben zu meistern, nach vorne zu blicken und dich dabei immer zu entsinnen, von wem du abstammst.
Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll, so vieles gibt es zu sagen, und so wenig Zeit bleibt mir. Ich liege im Sterben, das Lungenfieber hat mich in seiner tödlichen Klaue und scheint mich unbarmherzig in die Dunkelheit zu ziehen. Seit Tagen warte ich auf eine Gelegenheit wie diese, einen Moment in dem ich kräftig genug bin, die Feder zu halten, um meine wichtigste Aufgabe zu erfüllen.
Während ich diese Zeilen schreibe, liebste Muireall, liegst du in deinem Bett, nur wenige Meter neben mir und dein gleichmäßiger Atem zeigt mir, dass du stark genug warst, das Fieber zu überstehen. Deine gesunde Hautfarbe kehrt zurück, dein Haar glänzt wieder und dein Körper hat eine gesunde Temperatur. So viel Glück scheint mir nicht vergönnt und es schmerzt mich mehr, dich allein zurückzulassen, als dass mich das Fieber schmerzt. Ich bin eine alte Frau und hadere nicht mit meinem Schicksal, doch meine ganze Sorge gilt dir. Um ein letztes Mal für deine Sicherheit zu sorgen, habe ich für die nächsten Tage eine Überfahrt nach Amerika für dich besorgt. Hier in Frankreich bist du ohne mich nicht sicher genug. Doch in den Kolonien solltest du nichts mehr zu befürchten haben.
Nehme diese Entscheidung an und stelle dich deinem Schicksal.
Da nun bereits meine Kräfte schwinden, beginne ich direkt damit, dir deine Wurzeln zu erklären:
Du, Muireall Cameron bist die Tochter von Tomas und Isobel Cameron.
Dein Urgroßvater war Lachlann Cameron, der in seiner Jugend voller Leidenschaft für deine Urgroßmutter, Caitlin Stuart, entbrannt war. Und das, obwohl die beiden Clans schon lange verfeindet waren. Die Stuarts haben es den Camerons nie verziehen, eine ihrer Töchter gestohlen zu haben. Denn genau das warfen sie deinem Urgroßvater vor. Dabei wusste jeder, dass deine Urgroßmutter nur zu gerne von Lachlann gestohlen wurde. Und nachdem Caitlin schwanger war, wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Doch das Unheil nahm seinen Lauf, als Lachlann nur wenige Tage nach der Geburt seines Sohnes Eideard ermordet aufgefunden wurde. Caitlin wusste genau, dass ihre eigene Familie hinter dem Mord stecken musste und anstelle nach diesem Verrat in den Schoß ihrer tückischen Verwandtschaft heimzukehren, heiratete sie kurz darauf Lachlanns Bruder Manus Cameron. Seither gab es keinen friedlichen Tag mehr zwischen den benachbarten Clans. Manus zog den Sohn seines Bruders wie seinen Eigenen auf und Eideard wuchs zu einem stattlichen Mann heran. Der Mord an seinem Vater schwelte in der Brust des jungen Mannes. Manus hingegen wollte von Rache nichts hören.
Doch ganz konnte Eideard seine Wut nicht bändigen, und so kam es, dass immer öfter Tiere aus den Herden der Stuarts verschwanden. Nie so viele, dass es auffällig war, aber doch genug, um Eideard das Gefühl zu geben, seine Nachbarn zu schädigen. Zu dieser Zeit war es nicht ratsam, sich in den Grenzgebieten zwischen den beiden Clans ohne Schutz zu bewegen. Hirten oder Bauern, die dort ihrer Arbeit nachgingen, kamen so manches Mal einfach nicht zurück. Die Fehde steigerte sich so weit, dass es zu richtigen Gefechten kam, wenn sich die gegnerischen Clans begegneten.
So ging es in dieser Zeit beinahe im ganzen schottischen Hochland zu. Die Menschen lebten in ständiger Feindschaft mit ihren Nachbarn. Man besaß nur das Nötigste und verteidigte dieses bisschen mit seinem Leben.
Allerdings wollten die Stuarts diese Fehde genauso wenig beenden, wie Eideard. Im Gegenteil. Um sich in eine bessere Lage zu bringen, beteiligte sich das damalige Oberhaupt Kinnon Stuart an dem Überfall auf die Insel Fair. Er nahm eine Fair-Hexe gefangen, von der er hoffte, sie möge ihn mächtiger oder gar unbesiegbar machen. Dabei war Kinnon genaugenommen Eideards Onkel, denn Caitlin Stuart war seine Schwester gewesen. Trotzdem wollte er Eideards Tod, denn in seinen Augen trug dieser die Schuld am Untergang seiner Schwester. Kinnon war sich sicher, wäre seine Schwester nicht sogleich schwanger geworden, hätte sie schon bald ihren Fehler erkannt und wäre zur Familie zurückgekehrt. Doch mit dem Spross der Camerons im Leib, war ihr Wille gebrochen worden.
Kinnon nahm sich das älteste der Fair-Mädchen mit auf seine Burg. Er hoffte, ihre Kräfte wären schon
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