Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
hingen immer zusammen. Der normal große Junge war Po.
»Wofür steht Po?«
»Weiß nich«, erwiderte Cowboy und lachte. »Reimt sich auf Ho.«
»Wenn du noch mal zwanzig hast«, sagte Trainingsanzug, »weiß ich seinen richtigen Namen.«
»Ich habe zehn«, sagte ich.
»Sein richtiger Name ist Digger.«
»Digger was?«
»Das ist sein richtiger Nachname«, erwiderte Cowboy.
»Ist mir ein Leichtes rauszukriegen, ob ihr lügt«, sagte ich.
»Er lügt nicht«, sagte Cowboy, und angesichts einer derart guten Referenz seines Charakters reichte ich den Zehner rüber.
Es stellte sich heraus, dass der mit den roten Skaterschuhen tatsächlich fünfzehn war. Alle nannten ihn Red Hawk, nach irgendeinem alten Typen, den sie auf YouTube gesehen hatten.
Ich erfuhr, dass er ein ziemlicher Star war, der beste der Skater, die auf diesen Straßen in Chelsea herumhingen. Er fetzte durch sämtliche Parks und sollte am Labor Day an einem Wettbewerb im Shields Skaterpark irgendwo in New Jersey teilnehmen.
Sie kannten Red Hawks richtigen Namen nicht – und in dieser Gruppe hatte, abgesehen von Digger, anscheinend niemand einen Nachnamen. Oder eine Adresse. Oder eine Schule. Und sie tauschten auch keine Telefonnummern aus. Sie wussten bloß, dass Red Hawk und Po nicht in der Gegend hier lebten. Und sie waren beide schwarz.
»Aber ich hab kein Vorurteil«, sagte der Cowboy.
»Ich muss mit ihnen sprechen«, sagte ich. »Es ist dringend. Und da ist Bares drin, für euch und für sie – wenn ihr mich also hinhaltet, ist es die Sache nicht wert.«
»Was willst du denn von ihnen, Alter?«, fragte Trainingsanzug.
»Du weißt, was vertraulich bedeutet?«, fragte ich zurück.
»Ja, weiß ich«, erwiderte Cowboy, nicht der Hellste im Lande. »Es meint geheim. Richtig? Oh, hab’s kapiert.«
»Die sin’ schon seit ’n paar Tagen nich’ aufgetaucht«, sagte Trainingsanzug.
Darauf wollte ich jede Wette eingehen.
»Es hat geregnet«, sagte ich.
»Macht uns nix«, sagte Cowboy.
»Sagt es ihnen nur weiter«, meinte ich und reichte jedem der Jungen meine Karte. »Oder ruft mich an.«
Dann streckte Trainingsanzug die Hand zum Schütteln aus, und wir schüttelten sie wie zwei Geschäftsleute am Ende einer Besprechung. Es war eine merkwürdig anrührende Geste, die mir nach wie vor im Gedächtnis liegt.
55
Ich ging einen Block entlang und duckte mich unter die erste Markise, die ich sah. Ein Staubsaugerreparaturgeschäft, wo die Staubsauger im Fenster ebenso uralt aussahen wie der uralte Mann, der auf der Theke neben der Registrierkasse Solitaire spielte.
Nachdem ich Meriwether eine SMS mit der Beschreibung der beiden Jungen geschickt hatte, rief ich Shields Skaterpark an, der sich, wie sich herausstellte, in Flemington, New Jersey, befand. Dort ließ mich eine Göre, die im Büro des Managers arbeitete, endlos lange in der Warteschleife hängen.
Red Hawk musste ein ziemlicher Könner sein, dass er in Flemington antreten durfte. Die meisten Jungs, wie Trainingsanzug, Cowboy und wahrscheinlich – zumindest irgendwann einmal – auch Red Hawk selbst, waren nie über New York City hinausgekommen.
Hinzu kam, dass sie nicht auf offiziellen Plätzen skateten, wo Handgelenkschoner und Helme erforderlich waren. Aus diesem Grund würden sie wahrscheinlich nie in den schicksten Park am Pier 62 gehen. Zu viele Regeln.
Shields hatte ebenfalls Regeln, und eine verlangte bestimmt eine unterschriebene Verzichtserklärung von jedem über achtzehn oder vom Erziehungsberechtigten derjenigen unter achtzehn, die ein Board auch nur anrührten oder einen
Nosegrind
machen wollten.
Ich hatte mich als Detective Thomas Fallon von Manhattan South in New York City ausgegeben und um die Liste der Teilnehmer am Wettbewerb über den Labor Day gebeten, und als sich das Mädchen wieder meldete, sagte sie mir, der Manager würde mich zurückrufen. Ich erinnerte sie daran, dass dieser Anruf von der Polizei kam.
»Wo ist der Manager jetzt?«, fragte ich.
Nach einigen Augenblicken erwiderte das Mädchen, sie wisse es tatsächlich nicht, habe jedoch eine Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen.
»Geben Sie mir seine Nummer«, sagte ich, und sie tat es, nachdem ich sie erneut daran erinnert hatte, dass ich Polizist sei.
Mein Anruf bei ihm landete ebenfalls auf der Mailbox, was einen insofern rasend macht, als sie alle Menschen gleich behandelt. Hier ist der Präsident der Vereinigten Staaten; ich benötige Ihre Hilfe, um einen atomaren Zwischenfall
Weitere Kostenlose Bücher