Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
eigenen Händen umbringen.«
Vielleicht funktionierte so eine Art von Kindermädchen bei der klugscheißernden Heller-Tochter.
»Lolek«, fragte ich, »was hat sie Gemma angetan?«
»Nichts«, erwiderte sie. »Sie hat es mir angetan.«
Ich wartete ab und wurde mit einem frischen Tränenstrom und hustenden Schluchzern belohnt.
»Sie haben nicht darüber gesprochen«, sagte ich beruhigend unter Anwendung einer billigen Taktik, die Sloane mit Gewissheit missbilligen würde. »Sie müssen heraus damit.«
»Nile«, schluchzte sie. »Er hat mich geliebt. Er hat gesagt, er würde mich heiraten.«
Also war das Kindermädchen nicht Teil des Tandem-Mord-Teams und auch keine Lügnerin, die versuchte, ihre Verbrechen zu verschleiern. Sie war einfach Opfer desselben Virtuosen, der, wie ich mich erinnerte, die andere Ballerina, Victorine, nach deren Tod so heruntergemacht hatte.
Nile Sutro und Lolek Petrofi, dachte ich, als ich aus Alpine wegfuhr. Eher würde ihr der Himmel auf den Kopf fallen.
63
Beim Geräusch eines vertrauten Gebells ging ich ans Telefon.
»Ich komme zur Schute raus«, sagte Fallon.
»Was gibt’s?«, fragte ich.
»Du bist da?«, fragte er zurück.
»Unterwegs.«
»Bis bald.«
Der nächste Laut, den ich vom Telefon hörte, war ein Dreiklang, der eine SMS von Meriwether anzeigte.
Holderness möchte mich raus haben. Hadley bat mich zu bleiben.
Ich erwiderte:
Bleib.
Seine Antwort lautete:
Tu ich.
Ich schrieb:
Was ist mit Sutro?
Meriwether schrieb:
Sie hat mit ihm gesprochen.
Ich schrieb:
Und?
Meriwether schrieb:
Er kommt zurück.
Ich schrieb:
Wann?
Meriwether schrieb:
?
Ich kehrte etwa fünf Minuten vor Fallon auf die
Dumb Luck
zurück, und als er eintraf, gab ich mir nicht die Mühe zu fragen, wie er eine Fahrt über den Fluss auf einem Patrouillenboot der Marine ergattert hatte. Ihnen ist die Mitnahme eines Passagiers strikt untersagt, es sei denn als Teil einer Rettungsoperation. Aber für etliche Ordnungshüter ist Fallon ein Held.
Als er die Küche betrat, wirkte er müde. Nicht bloß müde, weil er die ganze Nacht durchgetrunken hatte. Es war eine andere Art von Erschöpfung.
Irgendwo in dem düster gestimmten, wortkargen Fallon lebte ein geheimer Optimismus. Ohne den hätte er sich nie so lange mit der Identifikation von Problemen beschäftigen, geduldig die bösen Buben verfolgen und sie niedermachen können, wobei er kaum wesentlich mehr als eine schweigende, gerechte Befriedigung genossen hatte. Er hatte dem Tod so viele Male bei seiner optimistischen Jagd nach Gerechtigkeit ein Schnippchen geschlagen, dass nicht er auf der Seite der Engel steht. Sie stehen auf seiner Seite.
»Hast du ein Bier?«, fragte er.
»Du weißt, wo sie stehen.«
»Meriwether nach wie vor in Stonyville?«
»Bislang«, erwiderte ich.
»Du weißt, wir bieten keinen Personenschutz, außer für einen Zeugen – deswegen habe ich nichts dergleichen angeboten.«
»Hol dir das Bier, Tommy«, sagte ich. »Würdest du an ihrer Stelle nicht auch viel lieber mit Filmstars da oben sein, als mit einer fetten Polizistin in einem zweitklassigen Hotel eingeschlossen?«
»Einige Leute haben was für fette Mädchen übrig«, sagte er.
»Was ist mit dem Jungen passiert? Po Digger?«
Fallon holte ein Red Stripe aus dem Kühlschrank.
»Er konnte uns nicht mehr sagen, als er dir schon gesagt hat«, erwiderte Fallon. »Er hat sich jede Menge Fotos angeschaut, niemanden erkannt. Goode hat ihn, die Mama und die Schwester und deren Kinder in einen Bus nach North Carolina verfrachtet«, sagte er. »Zur Schwester der Mama. Kleine Sommerferien. Er kommt zurück, wenn wir ihn brauchen.«
»Warum glaubst du, dass er zurückkommt?«
»Du hast ihm eine Scheißangst eingejagt mit den Geschichten von Tryon. Und wir haben ihm gesagt, du würdest persönlich da runter und ihn bei Kopf und Arsch packen, wenn er wegrennen wollte.«
»Also bist du aus einem anderen Grund als wegen meiner großartigen Gesellschaft hergekommen?«
»Nö«, entgegnete er. »Das war’s, und ich konnte Goode und die Task Force und den verdammten Präsidenten und den verdammten Bürgermeister im Gracie Mansion einfach nicht mehr ertragen. Also bin ich außer Dienst. Übe für ein dauerhaftes ›Außer Dienst‹.«
»Ernsthaft?«
»Ich wollte immer schon Angeln lernen«, sagte er. »Damit ich eins von diesen Schildchen aufstellen könnte, du weißt schon. Bin Angeln. Und ich möchte mich zurückziehen, bevor sie mich hinauswerfen. Dass ich diese
Weitere Kostenlose Bücher